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Am 25. November 2021 fand im Rahmen der 18. Internationalen Buchmesse Thessaloniki die letzte von insgesamt drei Podiumsdiskussionen der digitalen Fortbildungsreihe META_GRAFES als Zoom-Webinar statt, eine Kooperation des gemeinnützigen Vereins Diablog Vision e. V. mit dem Literaturhaus Lettrétage e. V.
Das Projekt META_GRAFES, konzipiert von Dr. Michaela Prinzinger, Vorsitzende von Diablog Vision e. V., wird durch den Projektfonds des Deutschen Übersetzerfonds im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.
Diese letzte Podiumsdiskussion META_GRAFES 5 war eine Bilanz, bei der die Schlussfolgerungen aus den vier digitalen Fortbildungsseminaren diskutiert wurden, die während der dreimonatigen Projektlaufzeit durchgeführt worden waren.
Die Diskussion moderierte der Journalist und Redakteur von bookpress.gr Kostas Agorastos. An der Diskussion nahmen teil: die Philologin, Literaturübersetzerin und Lehrbeauftragte für Neugriechisch an der Universität Bonn Dr. Elena Pallantza, die Germanistin, Lektorin und Übersetzerin deutschsprachiger Literatur Ioanna Meitani, die Neogräzistin und Literaturübersetzerin Dr. Michaela Prinzinger und der Übersetzer deutscher und griechischer Literatur und freie Kulturredakteur Theo Votsos.

Unten: Kostas Agorastos, Michaela Prinzinger.
META_GRAFES 1
Kostas Agorastos stellte Dr. Elena Pallantza vor, die Leiterin des ersten Workshops dieser Reihe mit dem Thema „Übersetzung deutscher Lyrik ins Griechische“, und zeigte dann ein kurzes Video von Petros Kolotouros mit Ausschnitten aus dem zweitägigen Übersetzungsworkshop, um dem Publikum einen Eindruck von der dort geleisteten Arbeit zu vermitteln.
Kostas Agorastos erkundigte sich bei Elena Pallantza nach den Kriterien zur Auswahl der Texte, die im Rahmen des Workshops übersetzt werden sollten.
Elena Pallantza erklärte, sie habe Gedichte aus der Lyrikanthologie von Dirk Uwe Hansen ausgewählt, der deutschsprachige Dichter:innen aufgefordert hatte, eigene, aber als Reaktion auf Sapphos Werk intendierte Gedichte zu verfassen. Daher rühre auch der Untertitel der Anthologie „Antworten auf Sappho“. Elena Pallantza erklärte, sie wollte dieses spielerische „Geben und Nehmen“ fortsetzen, indem sie die Teilnehmer:innen des Workshops bat, einige dieser Gedichte ins Griechische zu übersetzen. Parallel dazu sollten sich die Übersetzer:innen des Workshops wohlfühlen und nicht ehrfürchtig vor Sapphos Texten verharren, die sie übersetzen sollten, da die zur Verfügung stehende Zeit des Workshops begrenzt sei.
Kostas Agorastos hatte im diablog.eu-Post zum Übersetzungsworkshop META_GRAFES 1 gelesen, dass Elena Pallantza zusammen mit den Teilnehmer:innen bereits zum Einstieg einige theoretische Leitlinien festgelegt hatte, und wollte wissen, wie wichtig solche theoretische Leitlinien schon vor dem eigentlichen Übersetzen seien.
Elena Pallantza antwortete, dass die Präsentation einiger theoretischer Betrachtungen zum Thema Übersetzung am Anfang eines Workshops sowie die Positionierungen der Teilnehmer:innen dazu als Einführung gedient habe. Sie seien aber auch notwendig gewesen, um den Rahmen der Gruppenarbeit zu setzen, da, wie sie anmerkte, jede Übersetzung subjektiv sei.
Der Moderator bat Elena Pallantza um einige Beispiele, eventuell anhand von Versen, um ein besseres Verständnis der Unterschiede in der Struktur beider Sprachen zu bekommen, die sie zusammen mit den „Student:innen“, wie Agorastos formulierte, herausgearbeitet hatte. Sie wies darauf hin, dass einige der sechs Workshop-Teilnehmer:innen selbst Dichter:innen waren, andere wiederum lyrikunerfahrene Übersetzer:innen. Somit hatte der Workshop den Charakter eines Treffens von Gleichgesinnten, aus dem auch sie viel gelernt habe. Die Teilnehmer:innen könne sie deshalb nicht als „Student:innen“ bezeichnen. Elena Pallantza nannte einige konkrete Unterschiede zwischen der deutschen und der griechischen Sprache, die die Komplexität des Übersetzungsprozesses deutlich machten.
Kostas Agorastos kam auf die Anwesenheit von Dirk Uwe Hansen als Gast des Workshops zurück. Er wollte wissen, wie wichtig der Kontakt der Übersetzer:innen mit dem Autor gewesen war.
Elena Pallantza meinte, Dirk Uwe Hansen war zum Workshop eingeladen worden, um über „seine“ Lyrikanthologie und den Einfluss der Dichterin Sappho auf die deutschsprachigen Dichter:innen zu sprechen. Die spontane Einladung, der Arbeit der Übersetzergruppe an seinem Gedicht beizuwohnen, erwies sich als äußerst hilfreich und erhellend. Die Teilnehmer:innen hatten die Gelegenheit, vom Urheber selbst die intertextuellen Referenzen des Gedichts zu erfahren und Fragen zu klären.
Kostas Agorastos stellte die Frage, ob dieser Workshop im Vergleich zu anderen von ihr geleiteten etwas Besonderes darstelle. Elena Pallantza meinte, dass bei den Workshops, die sie hauptsächlich an der Universität Bonn leitet, die Übersetzung aus dem Griechischen ins Deutsche erfolgt, bei META_GRAFES 1 aber, aus dem Deutschen ins Griechische, was ihr eine gleichberechtigte Teilnahme ermöglicht habe. Darüber hinaus lobte sie die „Chemie“ und den kooperativen Geist der Gruppe, was von den Teilnehmer:innen bestätigt und auch im vorgeführten Video sichtbar wurde. Sie unterstrich die praktischen Möglichkeiten, die Zoom bietet, wie z. B. die Option, sich in Kleingruppen aufzuteilen und dort zu arbeiten, was in gewisser Weise den Nachteil ausglich, nicht physisch anwesend zu sein. Sie schloss mit der Feststellung, dass Übersetzungsworkshops eine hervorragende Möglichkeit seien, die von Übersetzer:innen verwendeten Werkzeuge und Methoden zu überprüfen und zu überarbeiten, was wiederum hilfreich für die eigene Weiterentwicklung und das thematische Vorankommen sei.
META_GRAFES 2
Kostas Agorastos wandte sich jetzt an Ioanna Meitani, Moderatorin der Podiumsdiskussion „Theorie und Praxis der Übersetzung”, an der Dr. Alexandra Rassidaki, Spyros Moskovou und Kostas Spatharakis teilgenommen hatten. Er bat sie zu berichten, was dort zu den literarischen Übersetzerwerkstätten besprochen wurde. Sind sie das richtige Werkzeug, um Übersetzer:innen fortzubilden und sie aus ihrem Schneckenhaus herauszulocken?
Ioanna Meitani sprach von der Einführung von Dr. Alexandra Rassidakis, die nicht nur Übersetzerin deutsch- und griechischsprachiger Literatur, sondern auch Professorin für germanistische Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Aristoteles Universität Thessaloniki ist, wo sie hauptsächlich Übersetzungsworkshops leitet. Alexandra Rassidakis zufolge üben die Übersetzer:innen durch die Teilnahme an einer Übersetzungswerkstatt das kritische Lesen eines Textes und werden sich durch die sog. Übung des Misstrauens” darüber bewusst, dass man bei einem übersetzten Text den Autor mittels der Übertragung des Übersetzers liest und nicht das Original selbst. Darüber hinaus helfen die Workshops den Übersetzer:innen bescheiden zu bleiben, da der Vergleich verschiedener Übersetzungsmöglichkeiten sowohl Fehler als auch Missverständnisse aufzeigt. Gleichzeitig sind sie ein Luxus, da sie den Teilnehmer:innen vielfältige Übersetzungsmöglichkeiten aufzeigen und sie damit auch aus der Isolation der Einzelarbeit herausführen.
Kostas Agorastos bat Ioanna Meitani über die Sichtbarkeit der Übersetzer:innen zu berichten. Man könne ihren Namen beispielsweise zusammen mit dem des Autors auf den Bucheinband setzen.
Ioanna Meitani bestätigte die Bedeutung dieses Themas und räumte ein, dass die Nennung der Übersetzer:innen auf dem Buchumschlag nicht für alle Verlagshäuser selbstverständlich und somit Anlass für Kritik seitens der literarischen Übersetzer:innen sei. Die Angabe des Namens alleine reiche jedoch für die Sichtbarkeit der Übersetzer:innen nicht aus. Sie nannte weitere Mittel und Praktiken, die laut Alexandra Rassidakis verstärkt dazu beitragen können – wie etwa die Angabe des Originaltitels und der Ausgangssprache, Anmerkungen des Übersetzers, Einführungen und/oder Anhänge im übersetzten Buch, ausführliche Artikel einschließlich Interviews der Übersetzer:innen zu ihrer Arbeit. Schließlich wies sie auf die Notwendigkeit der kritischen Würdigung einer Übersetzung hin. In Griechenland würde man zur Übertragung meist nur einen Satz verlieren, ob sie gut und flüssig sei, was die Übersetzer:innen nicht wesentlich voranbringe.
Kostas Agorastos kam wieder auf die Beziehung des Übersetzers zum Autor zurück, fragte, inwieweit sie das literarische Ergebnis beeinflussen könne und wollte von Ioanna Meitani wissen, was bei der Podiumsdiskussion dazu geäußert wurde.
Sie kam auf die Einführung von Spyros Moskovou zu sprechen, Journalist, Leiter der Griechischen Redaktion der Deutschen Welle und Übersetzer zahlreicher Bücher des österreichischen Literaturnobelpreisträgers Peter Handke. Spyros Moskovou merkte an, dass der persönliche Kontakt zum Autor dessen Werk besser verständlich machen kann. Umgekehrt könne das Werk eines Autors Hinweise zu den Ursprüngen seines Verhaltens bei einem früheren Zusammentreffen etwa enthalten. Schließlich erwähnte Ioanna Meitani den von ihr als magisch beschriebenen Moment: Laut Spyros Moskovou tritt er ein, wenn der Übersetzer während der literarischen Übertragung voll und ganz die Weltsicht des Autors übernimmt.
Kostas Agorastos hatte die Podiumsdiskussion verfolgt und dabei erkannt, dass der Übersetzer nicht schlicht einen Text von einer Sprache in eine andere überträgt, sondern zum Kulturmittler wird, was den tieferen Sinn seiner Übersetzungsarbeit ausmacht. Damit gab er Ioanna Meitani die Gelegenheit, kurz auf den Vortrag des Lektors, Übersetzers und Verlegers Kostas Spatharakis einzugehen.
Laut Kostas Spatharakis sollten wir uns darüber bewusst werden, dass der Übersetzer ein Kulturvermittler ist und den zu übersetzenden Text, wie von Alexandra Rassidaki bereits erwähnt, in den Kontext zu anderen Texte setzen müsse, um damit die vollständige Bedeutung des schriftstellerischen Prozesses zu transferieren. Besonders interessant war die Ansicht von Kostas Spatharakis, dass der Übersetzer als ein „kollektives Subjekt“, ein Stellvertreter, verstanden werden solle, hinter dem alle nur denkbaren Beteiligten der Buchbranche – von Lektoren und Korrektoren bis hin zu Verlegern und Buchhändlern – stünden.
META_GRAFES 3
Kostas Agorastos ging auf den zweiten Workshop im Rahmen von META_GRAFES ein, und stellte Dr. Michaela Prinzinger vor. Als Leiterin der Veranstaltung „Übersetzung griechischer Literatur ins Deutsche“ hatte sie Texte aus dem Erzählband von Ursula Foskolou „Το κήτος. Μικρά και μεγάλα πεζά“ (Der Wal. Kurze und längere Prosatexte) ausgesucht. Als Einstieg wurde ein kurzes Video von Alkistis Kafetzi gezeigt, produziert sowohl mit Material aus dem Workshop als auch mit solchem, das ihr von den Teilnehmer:innen des Workshops zur Verfügung gestellt worden war.
Zuerst bat er Michaela Prinzinger zu beschreiben, wie der Workshop vonstattengegangen war.
Michaela Prinzinger berichtete, dass es vor dem zweitägigen Workshop Ende Oktober bereits ein Vortreffen gegeben und jede:r Übersetzer:in einen bestimmten Text übernommen hatte. Es gab vorab die Gelegenheit, in Gruppen zu arbeiten, um dort die Schwierigkeiten, die sich während der Einzelarbeit ergeben hatten, zu erörtern. Zu Beginn des Workshops hatten alle die Möglichkeit bekommen, sich einen Überblick über die Übersetzungsarbeit der anderen Teilnehmer:innen zu verschaffen.
Anschließend berichtete Michaela Prinzinger über die Ergebnisse des Workshops und betonte die Bedeutung einer sorgfältigen und kritischen Lektüre des Originals, die Wichtigkeit von Recherchen – selbst wenn diese letztendlich nicht in die Übersetzung einfließen – die Bedeutung der Genauigkeit in der Wortwahl bei der Übertragung, die Bedeutung der korrekten Syntax in der Zielsprache bei Literaturübersetzungen und die Bedeutung der kulturellen Unterschiede, die die Übersetzungsarbeit erschweren können.
Michaela Prinzinger wies darauf hin, dass die Übersetzer:innen nicht nur die aneinandergereihten Worte des Originals übertragen sollen, sondern eine komplette Atmosphäre. Dazu müssen sie sich in die Denkweise der Autor:innen hineinversetzen und im Grunde genommen ihren Text interpretieren.
Besonders interessant war ihre Beobachtung, dass die deutschen Leser genauere Beschreibungen verlangen, als dies bei griechischen Texten oft der Fall ist. Die Fragen, die während der Übersetzungsarbeit im Workshop in Bezug auf die Genauigkeit aufgetreten waren, konnten bei der Befragung der Autorin Ursula Foskolou geklärt werden, die zum Workshop dazustieß. Es zeigte sich ein weiteres Mal, wie wichtig es ist, mit der Autorin oder dem Autor in Kontakt treten zu können.
Michaela Prinzinger wies auch auf die Zusammensetzung der Teilnehmer:innen hin: Zwei der fünf Übersetzer:innen waren griechische Muttersprachler:innen, was sich bei der Gruppenarbeit als „wertvolle Unterstützung“ herausstellte. Wenn sie alleine am Computer übersetze, so Michaela Prinzinger, habe sie oft das Bedürfnis, sich mit bestimmten Fragen an eine Person griechischer Muttersprache zu wenden. Das zeigt, wie wichtig es selbst für erfahrene Übersetzer:innen ist, aus der Einzelarbeit herauszutreten und notfalls Personen zu kontaktieren, deren Muttersprache die Quellsprache ist. Die zwei Teilnehmer:innen griechischer Muttersprache versuchten sich erstmalig an der Übersetzung aus dem Griechischen ins Deutsche. Für die drei weiteren Teilnehmer:innen war dieser Übersetzungsworkshop eine Fortsetzung ihrer Teilnahme an früheren Weiterbildungen zur Übersetzung aus dem Griechischen ins Deutsche. Das waren die deutsch-griechische ViceVersa-Übersetzungswerkstatt, koordiniert vom Europäischen Übersetzer-Kollegium und gefördert von TOLEDO – einem Programm des Deutschen Übersetzerfonds – und der Robert Bosch Stiftung, unter der gemeinsamen Leitung von Michaela Prinzinger und Theo Votsos, und die Lehrveranstaltungen, die Michaela Prinzinger an der Universität Wien realisiert hatte. Das Projekt META_GRAFES sei somit die Fortführung vorangegangener Projekte dieser Art, betonte Michaela Prinzinger.
META_GRAFES 4
Kostas Agorastos wandte sich nun an Theo Votsos, der die in deutscher Sprache durchgeführte Podiumsdiskussion „Kleine“ Sprachen auf dem deutschsprachigen Buchmarkt moderiert hatte. Er bat ihn davon zu berichten.
Die Podiumsteilnehmer:innen sollten Verleger aus Deutschland und Österreich sein, jedoch konnte Erika Hornbogner vom Drava Verlag mit Sitz in Klagenfurt an der österreichisch-slowenischen Grenze krankheitsbedingt nicht teilnehmen. So blieb es bei der deutschen Beteiligung: Der Germanist, Geschichts- und Politikwissenschaftler Ingo Držečnik, Herausgeber des Elfenbein Verlages mit Sitz in Berlin, und der Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler Sebastian Guggolz, Gründer und Leiter des Guggolz Verlags, ebenfalls in Berlin.
Zunächst zitierte Theo Votsos einige statistische Zahlen zum deutschsprachigen Buchmarkt des Jahres 2020, die auch in der Podiumsdiskussion vorgestellt wurden und deutlich machten, wie relativ der Begriff „kleine Sprachen“ ist, wenn wir über den deutschsprachigen Buchmarkt reden. Laut dieser Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, die fast 70.000 Veröffentlichungen betrafen, betrug der Anteil der übersetzten Titel insgesamt etwa nur 13%. Davon waren ca. 6% Übersetzungen aus dem Englischen, an zweiter bzw. dritter Stelle lagen Titel aus dem Französischen bzw. Japanischen mit 10,6% bzw. 10,1%; mit Polnisch an zwölfter Stelle und einem Anteil von 0,5% an der Gesamtzahl kamen 95% der übersetzten Titel aus 15 Sprachen, während 5% der Übersetzungen aus rund 200 Sprachen stammten, darunter Chinesisch und Griechisch.
Theo Votsos stellte kurz den Werdegang des Elfenbein Verlags von Ingo Držečnik vor und unterstrich die wichtige Rolle der Frankfurter Buchmesse für dessen Verlagsprogramm. Ingo Držečnik hatte in den Jahren 1997, 2001 und 2007 das Instrumentarium des Gastlandes der Buchmesse genutzt, um Übersetzungen aus der portugiesischen, griechischen und katalanischen Literatur zu veröffentlichen. Aus dem Griechischen hat der Elfenbeinverlag bereits 15 Titel auf Deutsch veröffentlicht. Darunter befinden sich sowohl ältere Werke von Autoren wie Alexandros Papadiamantis, Giannis Ritsos, Giorgos Seferis und Nikos Kazantzakis in älteren oder neuen Übersetzungen, aber auch Werke von jüngeren Zeitgenossen wie Alexandros Adamopoulos, Giorgos Lillis und Thanassis Lambrou, die alle zusammen die „Kleine griechische Bibliothek“ des Verlags ausmachen. Zuletzt hatte der Verlag 2019 den griechischen Roman von Maria Stefanopoulou „Athos der Förster“ in der Übersetzung von Michaela Prinzinger herausgebracht, die betonte, dass der Elfenbein Verlag aufgrund der politischen und historischen Bedeutung dieses Buches, das sich auf das Kalavryta-Massaker der deutschen Wehrmacht bezieht, erstmals eine finanzielle Unterstützung durch den Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds erhalten hatte.
Michaela Prinzinger hob hervor, wie wichtig die Unterstützung des griechischen Staates für die Förderung und Übersetzung zeitgenössischer griechischer Literatur sei. Auch Theo Votsos kam auf diesen Punkt zurück, nachdem er erwähnt hatte, dass der Elfenbein Verlag demnächst eine Sammlung von fünf Erzählungen von Alexandros Papadiamantis in der Übersetzung von Andrea Schellinger herausgeben werde, und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass es zukünftig durch das neue Übersetzungsförderungsprogramm greeklit.gr eine stabile Präsenz griechischer Titel auf dem deutschen Buchmarkt geben könnte.
Theo Votsos sprach anschließend über den Verlag von Sebastian Guggolz, der trotz seines erst achtjährigen Bestehens ein sehr erfolgreiches Verlagsprogramm vorweisen kann. Manche Titel gingen bis zu 10.000 Mal über den Ladentisch. Das Besondere an diesem Verlag sei die sehr gezielte Auswahl des Verlagsprogramms, denn der Guggolz Verlag verlegt ausschließlich bereits verstorbene Autoren aus Nord- und Osteuropa. Auch dieser Verlag nutzte die Frankfurter Buchmesse und veröffentlichte einen in Vergessenheit geratenen finnischen Nobelpreisträger, als Finnland Gastland der Frankfurter Buchmesse war. Inzwischen verfügt der Verlag über eine treue Leserschaft, die (fast wie Abonnenten) jeden neu erscheinenden Titel bestellt.
Im Gegensatz zum Elfenbein Verlag werden alle Publikationen des Guggolz Verlags von verschiedenen Institutionen des Ursprungslands der Ausgangstexte und durch Übersetzungsstipendien finanziell unterstützt, was dem Verlag ermöglicht, mit den besten Übersetzer:innen Deutschlands zusammenzuarbeiten und ihnen sogar höhere Honorare als große Verlage zu zahlen.
Bei dieser Gelegenheit wies Theo Votsos darauf hin, dass eine gemeinschaftlich organisierte Kampagne sehr wichtig wäre. So könnte sie einige kleine Verlage außerhalb Griechenlands für die griechische Literatur begeistern, sie fördern und unterstützen. Er fügte hinzu, dass Übersetzer:innen oft als Literaturagent:innen agieren würden.
Nun richtete Kostas Agorastos an alle Teilnehmer:innen die Frage, ob – abgesehen von der bestehenden oder eher nicht vorhandenen institutionellen Förderung und Unterstützung der griechischen Literatur durch den griechischen Staat und einigen Einzelinitiativen – man Elemente z. B. der Sprache oder der Thematik der zeitgenössischen griechischen Literatur ausmachen könne, die eine Verbreitung auf dem deutschen Buchmarkt, wie von griechischen Schriftsteller:innen gewünscht, verhindern.
Theo Votsos meinte, die schwache Vertretung griechischer Literatur auf dem deutschen Buchmarkt sei in gewisser Weise künstlich, denn der Handel gestalte sich nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft und spiegele die Dynamik der griechischen Sprache im Vergleich zu anderen Sprachen wider. Er wies darauf hin, dass es einige schillernde Ausnahmen gebe, wie die Bücher von Petros Markaris, die seit vielen Jahren von Michaela Prinzinger übersetzt werden. Er blicke zwar optimistisch in die Zukunft, da es in Deutschland ein tatsächliches Interesse an griechischer Literatur gebe, und erwähnte dabei den Verlag Edition Converso dessen Schwerpunkt Literatur aus dem Mittelmeerraum ist. Erst vor kurzem wurde dort das Buch von Katerina Schiná Die Nadeln des Aufstands herausgegeben. Vieles hänge jedoch von der allgemeinen kulturellen Beziehung zwischen den Ländern ab. Das Interesse der deutschen Leser an griechischer Literatur sei nicht dasselbe wie das der französischen Leser:innen.
Michaela Prinzinger betonte, dass ihrer Meinung nach ohne institutionelle/staatliche Unterstützung und Förderung die Verbreitung griechischer Literatur auf dem deutschen Buchmarkt nicht gelingen würde. Der Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich sei vor allem, dass es in Frankreich neben anderen Faktoren vor allem eine enorme staatliche Unterstützung für Buchübersetzungen gebe, insbesondere für Bücher aus südeuropäischen Ländern. Dies habe großen Einfluss auf die Verbreitung der griechischen Literatur auf dem französischen Buchmarkt. Auch wies sie darauf hin, dass im Rahmen des jüngsten Übersetzungsförderungsprogramms des Deutschen Übersetzerfonds zur Förderung „nicht kommerzieller“ Bücher aus „kleinen Literaturen“ auch einige griechische Bücher bezuschusst wurden, was die Bedeutung der institutionellen Förderung zeige.
Elena Pallantzas stimmte den Vorrednern zu und meinte, dass die Verbreitung einer Nationalliteratur in einem anderssprachigen Umfeld sowohl vom Grad der Introvertiertheit dieser Literatur als auch von der Extrovertiertheit des anderssprachigen Lesepublikums abhänge, also davon, ob die Leser bereit sind, sich einer anderen Nationalliteratur zu öffnen. Im deutschsprachigen Raum herrschten immer noch Stereotypen vor, zu deren Überwindung der griechische Literatur sozusagen die „Quadratur des Kreises“ gelingen müsse. Die Leserschaft interessiere sich entweder für die griechische Antike, für Griechenland als Reiseziel oder, wie in den letzten Jahren, für ein aktuelles Thema, nämlich die griechische Wirtschaftskrise. Es müsse noch viel getan werden, um diesen Stereotypen entgegenzuwirken.
Auf die Frage von Ioanna Maitani, ob Übersetzungen griechischer Bücher, die von griechischen Verlagen oder der Griechenland Zeitung verlegt werden, den ausländischen Markt erreichen, antwortete Theo Votsos, dass das Engagement der Griechenland Zeitung eindeutig zur Verbreitung der griechischen Literatur in Deutschland, Österreich und der Schweiz beitrage. Nichtsdestotrotz veröffentliche die Zeitung nicht nur literarische Bücher, sondern auch Reisebücher und Touristikführer. Diese Fakten führen wieder zu den von Elena Pallantza erwähnten Stereotypen und zu der Tatsache, dass individuelle Bemühungen ohne institutionelle Unterstützung nicht ausreichen, wie auch Michaela Prinzinger hervorgehoben hatte.
Text: Alexandros Kypriotis. Übersetzung: Heike Göttlicher.
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