Dieser Beitrag ist auch verfügbar auf: Ελληνικά (Griechisch)
Ioulita Iliopoulou ist eine der meistbeachteten zeitgenössischen Dichterinnen Griechenlands und bereits in mehrere Sprachen übersetzt. Im deutschen Sprachraum ist sie dagegen nahezu unbekannt.
Ioulita Iliopoulou hat zwar vor bald zwanzig Jahren den griechischen Staatspreis für Literatur erhalten und ist auf Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch bereits mit vielfältigen Übersetzungen bekannt – in der meistgesprochenen Sprache der EU jedoch, im Deutschen, ist bisher bloß ein einziges Gedicht in der Übersetzung von Giorgis Fotopoulos in Österreich gedruckt worden.
Mit ihrem achten und zuletzt veröffentlichten Gedichtband „Mosaik der Nacht“ erscheint mit dieser zweisprachigen Ausgabe nun erstmals eine vollständige Übertragung einer ihrer Sammlungen in die deutsche Sprache.

Der Lyrikzyklus setzt sich aus achtundvierzig Gedichten zusammen, die sich um die vielfachen Bedeutungen der Nacht drehen: Die Nacht der Gefahren in einer Stadt, die Nacht der Einsamkeit in einem Haus, die Nacht der Erinnerungen und des Vergessens, die Nacht des Erwachens des Unbewussten, die Nacht des Meeres am Ende eines Sommers, die Nacht einer Sehnsucht nach Liebe, die Nacht des Wunders der heilenden Wunden, die Nacht als Inbegriff des Todes und das Ende der Nacht als Inbegriff der Auferstehung, aber auch die Nacht unserer Zeit, in der die Menschenrechte und jeder menschliche Wert auf die Probe und in Frage gestellt werden… um einige wenige Assoziationen des Zyklus‘ zu erwähnen.
Durch diese einfachen Gegensätzen, die der Begriff Nacht birgt, verbinden die Gedichte dieses Bandes sich miteinander, um sich jeweils in sie zu vertiefen, um das dazwischen befindliche Dunkle, Unbekannte, Beängstigende in seiner schöpferischen Möglichkeit und Macht zu ergründen und in die dichterische Arbeit zu übertragen. So entstehen aus einer selten gewürdigten Lebenszeit und einem der anscheinend finsteren Räume unseres Lebens Worte und Bilder von der Freude am Leben, die sich letztlich auch gegen die Düsternis einer uniformierten, globalisierten Wirklichkeit wenden, die mit unerfüllbaren Träumen handelt und Menschen ausschließlich als Zahlen behandelt.
Die Gedichte des Bandes wurden auf der saronischen Insel Spetses im Osten der Peloponnes geboren und größtenteils dort geschrieben. Der Ort der Entstehung ist für das Werk Ioulita Iliopoulous von großer Bedeutung. Wie auf Mosaiksteinen schimmern die unterschiedlichen Fassetten dieser Inselwelt hervor, der Strand, die Wellen, das Licht der Sonne, der Mond über dem Meer.
Ioulita Iliopoulou sagt dazu: „Die meisten Gedichte aus Das Mosaik der Nacht sind im Laufe von zwei Jahren entstanden. Jedes Mal nimmt die Nacht eine andere Dimension an, es ist die Nacht des Meeres auf Spetses, die ich besonders liebe, aber auch im metaphorischen Sinne die Ungerechtigkeit, das Ende des Jahrhunderts, die Unwegsamkeiten, die Abwesenheit und das erotische Begehren in der Abwesenheit… Ich liebe den Tag inbrünstig und nicht die Nacht, ich warte auf den Tagesanbruch, arbeite am Morgen und nicht in der Nacht.“ (Das vollständige Interview auf EL hier)

Kostprobe
ΙΧΝΟΣ Ἴχνος χρόνου κανένα Σάν ἀπάτητο τῆς μνήμης τό ἔδαφος Κάθε πού τό περνᾶ, ὅμοια νερό, τό φιλί Ἐπιστρέφει πιό νέο Βουλιάζει – βῆμα στήν ἄμμο – Σκέψεις, εἰκόνες, αἰσθήματα Κι ὕστερα δυνατά πιό πολύ Ξαναφέρνει Τή λαχτάρα πού κοίταγα Καί μέσα στό πλῆθος σέ βρῆκα «Αὔριο, αὔριο» Σάν γιά πρώτη φορά Ἴχνος χρόνου κανένα ἀφήνοντας Ὁ παλιός ἔρωτάς μας Πιό νέος «Αὔριο. Στήν ἀγκαλιά μου. Ξανά». |
SPUR Keine Spur von Zeit Scheint unberührbar des Erinnerns Grund Immer wenn wie Wasser der Kuss ihn überquert Und verjüngt dann wiederkehrt Versenkt er – Schritt im Sand – Gedanken, Bilder und Gefühle Und bringt dann stärker noch Die Sehnsucht mir zurück Die einstmals ich empfand Da in der Menge ich dich fand «Morgen, morgen» Ist unsere alte Liebe Jünger noch Als wär’s das erste Mal Und keine Spur von Zeit «Morgen. In meinen Armen. Wieder.» |
Das Buch
Ioulita Iliopoulou, Das Mosaik der Nacht
Gedichte – Griechisch und Deutsch
In der Übersetzung von Giorgis Fotopoulos
Verlag Razamba, Offenbach 2023
Broschur, 130 Seiten, 18,00 €
ISBN 978-3-941725-68-3Das Buch enthält eine besondere Zugabe: Über einen QR-Code kann man sich eine Vertonung der Gedichte anhören, die von Giorgos Kouroupos komponierte Musik zu Das Mosaik der Nacht.
Dichtung: Ioulita Iliopoulou. Komposition: Giorgos Kouroupos. Gesang: Maira Milolidaki. Klavier: Titos Gouvelis.
Zwei Hörproben auf der Verlagsseite hier

Ioulita Iliopoulou
studierte byzantinische und neuere griechische Literatur in Athen und Theater an der Schauspielschule des „Athener Konservatoriums“. Ihr erstes Buch „Schöne Sonnenwende, Marko“ wurde 1987 veröffentlicht. Es folgten sieben weitere Bücher, unter anderem das Märchen „Was will Zenon?“, das 2005 mit dem Griechischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Sie schrieb darüber hinaus Libretti und Texte zu Liedern von Giorgos Kouroupos und arbeitete zusammen mit dem „Orchester der Farben“ von Manos Hadjidakis und der „Stiftung Melina Mercouri“. Ioulita Iliopoulou war die langjährige Lebensgefährtin des Dichters und Nobelpreisträgers für Literatur Odysseas Elytis bis er 1996 starb.

Giorgis Fotopoulos
wurde in Ost-Berlin geboren und wuchs in Athen auf. Studium in Visueller Kommunikation an der Hochschule der Künste und Magister Artium in Philosophie, Kommunikations- und Filmwissenschaften an der FU Berlin. Autodidakt in Filmproduktion. Regieassistent und Herstellungsleiter mehrerer abendfüllender Filmproduktionen und Lehraufträge und Vorträge zu Film und Kino in Griechenland als auch zahlreiche Übersetzungen griechischer Lyrik ins Deutsche. Dokumentarfilme für Arte und andere Sender.

Giorgos Kouroupos
ist als Komponist und Musikintendant in Athen tätig. Vielfältige Vertonungen von Opern nach Libretti von Giorgos Chimonas, Ioulita Iliopoulou und Evgenios Trivizas, eines Bühnenwerks von Miguel de Cervantes, als auch von Dichtung unter anderem von Odysseas Elytis und einer Choreografie von John Neumeier. Er war Präsident der Griechischen Nationaloper, Leiter von Manos Hadjidakis’ „Orchester der Farben“ und des Athener Musikpalastes „Megaro Mousikis“.
Das Mosaik der Nacht in Biblionet hier (auf EL mit Rezensionen)
Ioulita Iliopoulou Interview hier (auf EL); Fotos mit Seferis und die Geschichte dieser Aufnahmen hier (auf EL)
Giorgis Fotopoulos in diablog hier
Text: Ioulita Iliopoulou in der Übersetzung von Giorgis Fotopoulos mit freundlicher Genehmigung des Verlags Razamba. Redaktion: A. Tsingas. Abbildungen: Verlag Razamba, Verlag Ypsilon, privat, Nelly Tragousti, Charis Akriviadis.
Dieser Beitrag ist auch verfügbar auf: Ελληνικά (Griechisch)