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Das griechische Kinowunder geht weiter. Am 12.1. findet im Kino International die Berlin-Premiere von Panos Koutras’ neuem Film “Xenia” in Anwesenheit des Regisseurs statt. Nach seinem großartigen Film “Strella” und Festivalteilnahmen und Auszeichnungen für “Xenia” – unter anderem in der Filmreihe “Un certain regard” in Cannes und dem Publikumspreis beim Filmfestival Osnabrück – kommt sein neuestes Werk nun ab 15.1. in die deutschen Kinos. Mehr zu Panos Koutras erfahren Sie in unserem “Who is who“. Den offiziellen Trailer zum Film finden Sie hier.
Den 16-jährigen unbedarften Danny treibt es nach dem Tod der Mutter in das vibrierende Athen zu seinem toughen älteren Bruder Ody. Die Ereignisse überschlagen sich, als sie durch Dannys Ungeschicklichkeit gezwungen sind, vor der Polizei zu flüchten. Spontan folgen sie nun ihren Träumen: ihren Vater zu finden und ein Casting bei GREEK SUPERSTAR zu ergattern. Unterwegs merken sie, dass sie trotz aller Differenzen nichts und niemand auseinanderreißen kann.
Wo Homer einst Odysseus durch Verlockung und Gefahr führte, da führt uns Panos Koutras’ XENIA in eine verborgene Unterwelt, voller verführerischer Stricher, moderner Ruinen und Abgründe von Gewalt und schafft den Spagat zwischen Drama und Komödie mit einer selten gesehenen Leichtigkeit. Premiere feierte XENIA beim Cannes Filmfestival und trat danach, mit Publikumspreisen bejubelt, seinen weltweiten Siegeszug an.
Wie ist der Film entstanden?
Der Film ist so eine Art Abschiedsbrief an mein jüngeres Ich, denn meine Teenagerzeit waren die intensivsten Jahre, die ich je erlebt habe, komplett mit Sex, Drugs und Rock n Roll. Mir war klar, ich gehörte nicht dazu und mein Schwulsein hatte natürlich etwas damit zu tun. Alle Entscheidungen, die ich zwischen 14 und 18 Jahren getroffen hatte, haben mich für mein ganzes Leben entscheidend mitgeprägt: sei es, was die Liebe betrifft oder meine Werte, Politik oder die Kunst.
Es ist unglaublich bewegend, eine Geschichte über Jugend zu erzählen. Aber es sind die jungen Menschen heutzutage, die am meisten leiden müssen. Sie werden in eine feindselige Welt hinein geboren und verlieren sich darin. Mir war es auch wichtig, die Geschichte zweier Brüder zu erzählen. Brüderlichkeit im eigentlichen und abstrakten Sinn, war stets ein Leitfaden in meinem Leben, besonders als schwuler Mann.
Und zuletzt wollte ich auch Aufmerksamkeit für staatenlose Kinder. Mit dem Rechtsextremismus in Griechenland aber auch ganz Europa, nimmt die Asylproblematik dramatische Ausmaße an.
Wieso heißt der Film XENIA?
Xenia heißt so viel wie Gastfreundschaft. Die griechischen Götter haben uns einst auferlegt, jeden willkommen zu heißen, egal woher er kommt. Zeus wird auch oft Xenios genannt, der Gastfreundliche. Diese Gastfreundschaft war einst höchstes Gebot in Griechenland, wohingegen Fremdenfeindlichkeit ein relativ modernes Konzept ist.
Xenia ist zudem der Name einer Kette von Luxushotels, die in den späten 50ern von Star-Architekten entworfen wurden. Die Zeiten waren anders, man war reich und man entdeckte den Tourismus. Heute sind mehr als 90% dieser Hotels verlassen und abrissreif.
Den Film zu produzieren kann während der Krise nicht einfach gewesen sein.
Es gibt keinen Film, der einfach zu produzieren ist und die Angst, sich finanziell zu ruinieren, schwingt immer mit. Einen Film mit beachtlichem Budget in Griechenland zu drehen, erschien vielen verrückt, und so machte ich mich zusammen mit meinem Produzenten auf die Suche nach europäischen Geldern für eine Ko-Produktion. MMP Film in Frankreich und „Entre Chien et Loup“ in Belgien haben uns zusammen mit dem Greek Film Center unterstützt.
An einem Punkt wäre die Produktion beinahe zum Stillstand gekommen, als der staatliche Sender ERT, einer unserer größten Financiers, über Nacht geschlossen wurde. Nur durch die entschlossene und risikofreudige Entscheidung der Ko-Produzenten, weiter zu machen, wurde der Film fertig. Aber selbst jetzt noch haben wir einen Berg Schulden.
Du arbeitest oft mit Laiendarstellern. Was ist der Grund?
Ich mag die Mischung von Laien und Profis. Der Vater, die Mutter und Tassos sind professionelle Schauspieler, die in Griechenland ziemlich berühmt sind. Aber Ody und Danny sollten anders sein.
Wenn es um Charaktere geht, die einer Minderheit angehören, will ich mit Leuten drehen, die sich in die Problematik intuitiv hineinversetzen und ihre Community repräsentieren können. Das Casting war quasi eine politische Wahl. XENIA handelt von zwei albanischen Brüdern, beide minderjährig, die Fremde im eigenen Land sind. In Griechenland gibt es an die 200.000 junge Leute, die in dieses Raster fallen!
Ich war sicher, dass es zwei junge talentierte Schauspieler gibt, die diese Rollen ausfüllen könnten, auch wenn ich ein Jahr nach ihnen suchen musste. Wir haben sieben Monate lang bei mir zu Hause und am Set geprobt vier Mal in der Woche, bevor wir mit dem Dreh begannen.
Wer ist Patty Pravo?
Patty Pravo ist eine großartige Sängerin, eine italienische Diva aus den 70ern, die heute noch populär ist. Vor vielen Jahren war sie regelmäßig in der Musikshow CANZONISSIMA zu sehen und schon als Kind war ich fasziniert von ihr. Jahre später, 2006 in Neapel, habe ich ihre Musik wieder gehört, es war wie eine Zeitreise.
Dann kaufte ich all ihre Alben, denn ich wollte da wieder anknüpfen, wo ich einst als Teenager aufgehört hatte. Danny liebt Patty Pravo, weil seine Mutter sie vergötterte. Und so ist Patty nicht nur ein Star für ihn, sie ist eine Art Wunder vollbringende Heilige.
Es geht um die Wanderschaft zweier Brüder, um eine Familienfehde und ein Charakter namens Odysseas. Griechische Mythologie und Tragödie spiegeln sich in XENIA wider, finden sich aber in all deinen Filmen.
Ich bin Grieche und hier lernst du seit der Grundschule alles über die griechische Mythologie. Man kann sich dem nicht entziehen. Aber für mich hat Mythologie auch mit Entertainment zu tun und ist nicht allein Thema akademischer Eliten.
Deine Filme schwenken oft ins Fantastische. Wie du die Realität des Alltags mit Fantasie geladenen Träumen kombinierst, ist ziemlich schräg.
Fantasie bedeutet mir alles und ist somit nicht reines Stilmittel. Traum und Realität gehen im Alltag oft Hand in Hand. Wieso also nicht in meinen Filmen? Nur so nähern wir uns doch der Realität an. In diesem Film erschien es nur natürlich, auf die Fantasie zuzugreifen, um die Figur des Danny mit Leben zu füllen. Traumatisierte Kinder flüchten sich doch oft ins Fantastische.
Ein Gay Club namens FANTASTICO, eine Anwältin namens Antigone und Greek Superstar – XENIA begegnet dem Tragischen stets mit Humor und Ironie. Wird Humor auch Griechenland retten können?
Griechenland oder die Welt? Humor bedient sich stets nur bei sich selbst. Er hilft, Distanz aufzubauen und Distanz ist ein unglaublicher Luxus. Filme werden die Welt nicht verändern, aber sie helfen, neue Perspektiven zu schaffen, die Augen zu öffnen und verstehen zu lernen.
Entnommen aus Pressematerial des Vertriebs Pro-Fun Media GmbH, Fotos: Pro-Fun Media GmbH, www.pro-fun.de.
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Gibt es den Film als DVD /blu-ray?
Ich würde ihn gerne in Stgt zeigen!
LG