Südkreta Teil I: Susis „Café Relax“

Ein schöner Ort von Michaela Prinzinger

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diablog.eu erzählt die israelisch-deutsch-kretische Geschichte von Mutter und Sohn, von Susi Neef und Lior Levi, die beide im Süden Kretas ihr Glück gefunden haben. In dieser Gegend braucht man etwas mehr Entdeckergeist als im touristisch erschlossenen Norden. Am besten mietet man sich einen Wagen, dann kann das Abenteuer beginnen. Und besonders Wagemutige enden dann in faszinierenden Fischerdörfchen weit ab vom Schuss und am Ende der einzigen Straße weit und breit. Genauso ist es mir vor vielen Jahren ergangen, und jetzt verrate ich euch ein großes Geheimnis…

Wenn man von Heraklion nach Süden Richtung Moires fährt, breitet sich nach kurzer Zeit die majestätische Messara-Ebene vor einem aus. Und wenn man dann nicht den Touristenbussen nach Matala folgt, sondern bei Agii Deka abbiegt, die Asterousia-Berge überwindet und die kleine Bergstraße nach Lentas wählt, schlägt einen der Zauber der griechischen Landschaft in den Bann.

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Blick nach Lentas, ©diablog.eu

Viele Reisende verweilen nur kurz, andere hingegen verlieben sich in den Ort und beschließen, sich dort niederzulassen. So ist es vielen Deutschen und Österreichern auf diesem Fleckchen Erde hinter den sieben Bergen ergangen. Eine ganz besondere Liebesgeschichte hat Susi Neef nach Dytikos, der großen Bucht westlich von Lentas, verschlagen.

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Mutti und Sohn, Susi Neef und Lior Levi, ©diablog.eu

Und dabei war der Kühlschrank an allem schuld. An Susis erster Reise nach Europa. Daran, dass die junge, 22-jährige Israelin zunächst nach Griechenland und dann nach Deutschland kam. Damals, in Israel, hieß sie noch Susy, das Ypsilon wurde bei der Einbürgerung in Deutschland in ein i verwandelt. Aber davon war sie damals noch weit entfernt. Zunächst wollte sie, nach ihrer Scheidung alleinerziehend mit zwei Kindern, einen neuen Kühlschrank kaufen und füllte so nebenbei den Zettel für das Preisausschreiben aus, bei dem eine Reise nach Athen zu gewinnen war. Und das Glück war auf ihrer Seite.

„Das war meine Eintrittskarte nach Europa, sonst wäre ich da nicht so schnell hingefahren“, sagt die 58-Jährige heute rückblickend. Von Athen fuhr sie weiter nach Dänemark zu ihrem Bruder und auf dem Rückweg lernte sie in Italien Gunnar kennen. Gunnar aus Gütersloh. Den besuchte sie dann mit einem dreimonatigen Touristenvisum, und Gunnar lud sie und ihre Kinder zu sich ein. So wurde Deutschland ihre neue Heimat. Susi hatte eine Ausbildung zur Gastronomin, ebenso wie Gunnar, dessen Familie die Autobahnraststätte in Gütersloh betrieb. Susi hatte ein gutes Leben in Deutschland, ein Haus in Gütersloh, ein Haus auf Sylt, und in den Neunziger-Jahren baute Gunnar auch ein Haus in Tsigounas an der Südküste Kretas.

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Strand von Diskos in Dytikos, ©diablog.eu

Doch „Tank und Rast“ war ihnen mit der Zeit zu stressig geworden. So kamen Gunnar und Susi mit ihrer Abfindung nach der Aufgabe der Autobahnraststätte vor neun Jahren nach Kreta, beide Anfang Fünfzig und ohne große Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Sie wollten einen schönen Lebensabend im warmen Süden verbringen. „Aber nach drei Jahren wurde es Gunnar zu langweilig.“ Da beschlossen sie, auf Susis Namen ein leer stehendes Lokal zu pachten. So war Susis „Café Relax“ geboren.

„Ich bin verliebt in meinen Laden“, bekennt sie heute. Er wurde zum Neuanfang in ihrem Leben. Nach dem ersten richtig heißen Sommer auf Südkreta packten Gunnar Zweifel, ob dieses Land wirklich das Richtige für ihn war. Er wurde immer unzufriedener und wollte zurück nach Deutschland. Susi hingegen fühlte sich bei 40 Grad wie zu Hause in Jaffa-Tel Aviv, ihrer Heimatstadt. „Sonne, Hitze und Meer, damit bin ich aufgewachsen.“ In Deutschland hat sie nie wirklich Wurzeln geschlagen. So stellte sich die Frage: Mit dem Mann zurück in die Kälte oder in der wärmenden Sonne Kretas bleiben?

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Susi Neef beim Tavlispiel, ©Lior Levi

Darüber musste sie nicht lange nachdenken. „Ich fühle mich im Hochsommer sogar beim Grillen in der Küche wohl!“ Sie ergriff die Gelegenheit, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. „Mein Sohn Lior hat mich bei diesem Neuanfang sehr unterstützt, er hat mir die Angst genommen.“ Und als dann ihre Tochter Liat sich in einen Kreter verliebte und drei Kinder bekam, war die Integration perfekt.

Die ersten drei Jahre ihrer neuen Existenz waren hart. Zwar durfte sie das gemeinsame Haus in Tsigounas behalten, aber ansonsten stand sie, aufgrund der vereinbarten Gütertrennung, mittellos da. Doch sie hat es geschafft. Nach drei Jahren war sie schuldenfrei. „Ich hab es nie bereut. Diese Entscheidung war das erste Nein, das ich zu meinem Mann gesagt habe. Bis dahin hatte er über mein Leben bestimmt.“ Aber jetzt ist Gras über die Sache gewachsen, auch über die Enttäuschung über das Verhalten ihres Mannes bei der Scheidung. Im Februar hat sie ihm, nach Jahren der Funkstille, spontan zum Geburtstag ein Bild vom Sonnenaufgang über dem „Löwen“ geschickt. Das ist der Felsen, der das Fischerdörfchen Lentas von der Bucht von Dytikos trennt. Zweimal im Jahr geht die Sonne genau über dem „Löwen“ auf, im Februar und im November. Früher hatten sie den Sonnenaufgang gemeinsam genossen. „Ich möchte, dass wir Freunde blieben.“ Gunnar hat ihr gleich geantwortet und sich über den Gruß aus dem Süden gefreut.

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Sonnenaufgang über dem “Löwen” im Februar, ©Susi Neef

Susi ist eine begnadete Köchin, ihre inspirierten Kombinationen aus orientalischer, deutscher und griechischer Küche locken die Gäste an. Spezielle Berühmtheit haben ihr pikanter Bakaliaros, ihr Curry-Hähnchen und ihre vegetarischen und veganen Spezialitäten erlangt. Aber der größte Hit ist und blieb Susis Falafel. Und dabei hatte sie Falafel selbst nie zubereitet, denn in ihrer Heimat gilt es als Arme-Leute-Essen, das man preisgünstig unterwegs isst und nicht mühsam zu Hause macht. Einer ihrer Gäste, der Berliner Martin, lag ihr dann so lange in den Ohren damit, bis sie ihre Mutter anrief, die sich – da sie aus Ägypten stammt – mit Falafel auskannte. Dann hatte sie das Originalrezept, das weit entfernt ist von der üblichen Billigproduktion aus Fertigmischungen, die auf Vorrat frittiert und dann bei Bedarf in die Mikrowelle geschoben wird. Und vor ein paar Wochen kam es dann zu einer neuen Kreation: Susis Falafel „Greek Style“, mit einer zarten Füllung aus Feta-Käse. Der cremige Käse passt perfekt zum ansonsten etwas trockenen Falafel, das man deswegen mit Humus und Tahini serviert, bei Susi übergossen mit Olivenöl, gewürzt und rot gefärbt mit etwas scharfem Paprika.

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Susis Falafel, ©diablog.eu

Am Nachmittag, nach einem langen Arbeitstag in der Küche ihres Cafés, macht sie ihren Abendspaziergang am Strand von Dytikos. Dann erst wird ihr Kopf frei von den vielen Geschichten, die sie jeden Tag hört. Denn jeder Reisende trägt seine Geschichte wie einen Rucksack mit sich, den er bei ihr abstellt und manchmal auch auspackt. Jeder Wirt und jede Wirtin ist auch ein Psychologe und blickt in viele Seelen.

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Susis Abendspaziergang, ©diablog.eu

Aber das Flirren des Lichts auf den Silberwellen und die genügsamen, vom Salzwasser lebenden Tamarisken mit ihren knorrigen Stämmen und ihrem Grün, das an Nadelbäume erinnert, machen einem das Herz wieder leicht. Seetang und Salzpflanzen, die Wolken, die sich über den nördlichen Bergkamm schieben, und die Wellen, deren Donnern und Brausen ins Unbewusste eindringen, reinigen die Seele. Susi geht dem Abendlicht entgegen. Und morgen ist ein neuer Tag, an dem sie wieder das leckerste Falafel der Welt zaubern wird.

Südkreta Teil II erscheint demnächst und erzählt die Liebe von Lior Levi zur kretischen Landschaft und insbesondere zur Schlucht von Kavoussi.

Fotos: Michaela Prinzinger, Lior Levi. Susis Café Relax auf Facebook finden sie hier. Unterkunft in Lentas und Dytikos: www.hotel-lentas.com. Informative Website über Lentas: https://www.lentas-online.com/de/startseite.html.

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6 Gedanken zu „Südkreta Teil I: Susis „Café Relax““

  1. Ich war zweimal in Dytikos: 1997 und 2007, und da dann auch im Café Relax bei Susy. Ich habe es so gut in Erinnerung, wunderbare Abend mit guten Gesprächen und ebensolche Frühstücke, daß wir uns gar nicht trennen wollten. Gute Gespräche mit Susy und mit den nette Gästen, z.B. Österreicherinnen oder auch ein Kreter, der sich gut in unserer Heimat (Chiemgau) auskannte, weil er da mal verheiratet gewesen war (=viel Grüße!) . Wenn ich jetzt die Jahreszahlen anschaue, sehe ich, es wird Zeit, daß wir wieder mal kommen, ich hoffe es geht sich bald aus! Viele Grüße Elisabeth

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