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Ellen Katja Jaeckel erzählt im neuen Kreta-Reiseführer von Merian von Amari, einem kleinen Bergdorf am Fuß des Psiloritis. Lassen Sie sich auf den Dorfplatz entführen und planen Sie Ihre nächste Reise in besseren Zeiten…
Amari ist ein schmuckes Bergdorf im Herzen Kretas am Fuß des Psiloritis im Kreis Rethymnon. Von Oktober bis Juli ist hier nicht viel los. Weniger als 40 Menschen leben dauerhaft in Amari, vorwiegend sind es Albaner. Ihre Kinder werden mit dem Schulbus zum 10 Kilometer entfernten Agia Fotini gebracht, dorthin, wo sich auch der nächste Supermarkt befindet, eine Tankstelle und ein Geldautomat. Feucht wird es im Winter und ungemütlich. Ohne die Hilfe der Albaner wären die monatelang leerstehenden Häuser nicht so gut in Schuss. Es ist auffällig, wie viele Altbauten im Dorf verteilt sind und liebevoll renoviert wurden, indem man die venezianischen Bögen und den unverputztem Naturstein herausarbeitete.
Vor dem Zweiten Weltkrieg war Amari Hauptstadt der gleichnamigen Region mit einer richtigen Poststation, einem Arzt, einer Grundschule mit zwei Lehrern und 80 Kindern und sogar einem Amtsgericht. Geblieben ist nur noch der Name für das Tal und ein kleines Polizeirevier, in dem der Fernseher Tag und Nacht läuft und die Beamten Katzen füttern. Selbst der Priester wird für den Gottesdienst aus dem Nebendorf geholt.
Im Sommer aber wandelt sich Amari zu einem der kosmopolitischsten Orte der Insel. Zum Fest des Heiligen Titus Ende August kehren die Amariotes und ihre Kinder vom Festland und aus aller Herren Länder zurück ins Dorf ihrer Vorfahren. Das Dorffest dauert drei Tage und ist entsprechend laut. Ein Sprachengewirr ist dann zu hören in der einzigen Wirtschaft, die überhaupt nur im August öffnet und auf dem Volleyball-Platz. Vorwiegend griechisch und kretischen Dialekt, aber auch viele europäische Sprachen – Englisch, sehr wenig Deutsch, ein bisschen Französisch und erstaunlich viel Portugiesisch schnappt der aufmerksame Zuhörer auf. Es sind keine Touristen, sondern die Kindeskinder früherer Auswanderer, die als Kapitäne auf den Weltmeeren steuerten, am Bau des Suez-Kanal in Port Said beteiligt waren und von dort als Eisenbahn-Arbeiter nach Südostafrika kamen.
Einer von ihnen, Michalis Perantonakis, der als 25jähriger nach Lourenço Marques (ins heutige Maputo) auswanderte, stieg vom Straßen-Bananenverkäufer zum größten Bierbrauer Mosambiks auf. Sein Name wird auch 100 Jahre später in der Heimat in Ehren gehalten. Der „Kreter“ (o Kritikos), wie man ihn in Afrika kurz nannte, erkannte schnell den Bedarf an sauberem Wasser und gründete 1916 die Victoria Ice & Water Factory in Beira. Auf einer Reise in Deutschland ließ er sich in die Braukunst einweihen und kehrte mit viel Wissen und Rezept zurück nach Mosambik, wo er 1932 die Marke „Laurentina“ schuf, die noch heute unter diesem Namen im Süden Afrikas vertrieben wird.
Solche Geschichten hört man in den weinumrankten Innenhöfen, wenn sich die Welt im August in Amari trifft. Wer eine solche Reise von Maputo nach Amari unternimmt, bleibt bis die Granatäpfel platzen und die nicht gepflückten Feigen am Baum verdorren. Jeder Sommer ist eine Kindheitserinnerung, und jeder Sommer könnte der letzte sein.
Text: Ellen Katja Jaeckel. Mit freundlicher Genehmigung des Verlag entnommen aus dem Buch: Ellen Katja Jaeckel, Giorgos Christonakis, Klaus Bötig: MERIAN Reiseführer Kreta. München, Gräfe und Unzer Verlag 2020.
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Wie interessant! Und der Name (Amari) klingt so italienisch …
Moin und Kalimera Angelika Dr. Jodl, dass ist auch gar nicht so abwägig. Die Gründung des Dorfes, so glaubt man, wurde von einem Kolonisten des byzantinischen Haus Amari in der zweiten byzantinischen Zeit oder von einer venezianischen Herren (Amari), initiiert.
kalí evdomáda, kv
Moin und Kalimera, die gefühlten 10.000 kleinen Dörfer machen für mich unter anderem den Reiz von Kreta aus.
Außerhalb des Dorfes steht die älteste Kirche der Insel – Agia Anna von 1225.
Das Amari-Becken mit seinen vielen kleinen Döfern und dem Berg Kedros ist eine sehr schöne und interessante Ecke. Noch sehr ursprünglich und man trifft kaum Touristen.
Ta Leme, kv