Roptra, die traditionellen Türklopfer des Mittelmeerraums

Essay von Andreas Chatzithomas

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Lassen Sie sich zu einer kleinen Reise von Tür zu Tür verführen, um die unterschiedlichsten Türklopfer – Roptra – des Mittelmeerraums zu bewundern. Andreas Chatzithomas, Herausgeber des zyprischen Kulturmagazins Diorama begleitet uns dabei in Wort und Bild.

unterschiedliche tuerklopfer

Türklopfer, der Klang einer anderen Zeit. Ein Symbol, fest im Gedächtnis verankert, das unzählige Gefühle und Erinnerungen weckt.

Ein schmuckes, wohlklingendes, geschmackvolles, nützliches und unerlässliches Beiwerk der schweren Eingangstür.

Hob der Besucher es an, schüttelte er quasi zur Begrüßung den Hausbesitzern selbst freundlich die Hand.

Wenn es schwer auf die metallische Basis fiel, kündigte es Besuch an oder Nachrichten durch den Postbosten.

tuerklopfer in handform

Im Klopfen, das mal höflich, diskret und kurz war, drückte sich häufig die Stimmung des Besuchers aus. Ein andermal war es gehetzt, nachdrücklich und lang anhaltend und kündete davon, dass es sich um etwas Dringliches und Ernstes handelte.

Heute überdauert der Türklopfer als reglose Miniatur die Jahre. Berührt eine Hand dieses elegante Schmuckstück, öffnet die Fantasie ihre Tore und lässt zahllose Erinnerungen ein wie ausgesuchte Freunde, aber auch Fremdlinge und Reisende, die in den schmalen Gässchen unseres Landes heute noch genauso willkommen sind wie damals, in alter Zeit.

tuerklopfer mit zwei frauenfiguren

Das griechische Wort Roptron hat mehrere Bedeutungen. Einerseits findet man es, laut Aristophanes, bei Archilochos in der Bedeutung „Mausefalle“, während es in anderen antiken Texten auch in der Bedeutung von „Keule“, als allgemeine Metapher für Strafe, und als Musikinstrument vorkommt, als eine Art Τamburin, das von den Korybanten bei ihren Ritualtänzen verwendet wurde.

Hesychios zufolge „war es sowohl der Ring an der Eingangstür als auch die weibliche Scham oder das gebogene Holz“.

Wenn man in neueren Wörterbüchern nach der Etymologie des Wortes Roptron sucht, stößt man dort auf das Verb „repo“: nach unten neigen, hinabgehen, sich zur Seite neigen und fallen.

tuerklopfer mit kopf und ring

Was auch immer der sprachliche Ursprung des Roptrons sein mag, der Türschmuck diente dem Zweck, für den er erfunden worden war, auf vorzügliche Weise.

Es bleibt ein Kulturgut zwischen den Welten, Altem und Neuem, zwischen Draußen und Drinnen, Fremdem und Vertrautem, zwischen Willkommenem und Unerwünschtem, ein alt überlieferter Gegenstand, der wir erhalten und bewahren sollten.

Der „Ring“ an den Eingangstüren ist jedoch keine zyprisch-griechische  Erfindung, obwohl schon Homer in der „Odyssee“ (Gesang 1, 441-2) schreibt: (…) Ging aus der Kammer, und zog mit dem silbernen Ringe die Türe hinter sich an, und schob den Riegel vor mit dem Riemen.

In einem anderen Vers desselben Epos vermerkt er (Gesang 7,91): (…) Trugen den silbernen Kranz; der Ring der Pforte war golden. (Übersetzung: Johann Heinrich Voß)

tuerklopfer mit daemon und ring

Die Türklopfer haben somit ihre ganz eigene Geschichte, und ihre ursprüngliche Form war nicht die heute weithin bekannte. Im Laufe der Zeit durchliefen sie zahlreiche Entwicklungsstufen und Formen und wurden aus den unterschiedlichsten Materialien gefertigt.

Die Formen der Roptra sind vielfältig: Hände, Ringe, Tierköpfe, Vögel, Frauengesichter, schlichte und gerillte Formen zieren eine Vielzahl der Türklopfer, die in den zwischenmenschlichen Beziehungen eine wichtige Rolle gespielt haben.

Von Hand oder industriell gefertigt zeugen die Türklopfer von einem eigenwilligen historischen Weg, der für alle, die sie verwendeten, eine bestimmte Bedeutung hatte.

tuerklopfer mit figur

Jedes Klopfen ist zugleich auch eine Erinnerung – unabhängig davon, ob es sich um gute oder schlechte Erinnerungen handelt: Die Hauptsache ist, dass Roptra auch weiterhin unser Auge erfreuen, Sammler anlocken und ihren ganz eigenen, wunderbaren Klang hervorbringen. Mal überraschend, mal beunruhigend, zuweilen auch unerwartet.

Auch heute noch verströmen die Roptra eine innere Kraft, die uns bewegt und Erinnerungen weckt.

Jedes dieser kleinen Kunstwerke hat eine Seele und eine ganze eigene Geschichte, im Zentrum der Eingangstür befestigt, angeheftet wie ein Orden für Geduld und Ausdauer. Heute bleiben die meisten von ihnen stumm, gleich neben ihnen hängt ein Schild mit der Aufschrift „Zu verkaufen“ oder „Betreten auf eigene Gefahr“. Rostig, abgenutzt und nutzlos, verfolgen sie die sich ändernden Zeiten und erinnern an all jene, welche die Schwelle des Hauses je überschritten haben.

Obwohl sie keine Funktion mehr erfüllen, beeindruckt ihr Anblick auch heute noch Fotografen, Maler und Schriftsteller, Dichter und Archäologen und jeden, dem Traditionen am Herzen liegen. Die Beziehung dieser kunstvollen Objekte zur Sinnlichkeit und Erinnerung der Menschen hat etwas Magisches und berührt die Seele eines Jeden.

Er schlug den Türklopfer,
tat’s noch einmal.
Niemand da?
Die Hand aus Metall
ist seine Hand.
Hält die Metallkugel
schlägt auf die andere Kugel
beharrlich.
Wie lange noch
müssen wir
vor der Tür warten
die Kratzer von unseren Nägeln
auf dem Holz betrachten
bis wir das Gebot erkennen:
Ist diese Tür nicht sogar schöner,
wenn sie geschlossen bleibt?

tuerklopfer mit hand und ring

Zum Autor
Andreas Chatzithomas, geb. 1950 in Nicosia, Zypern, studierte in Athen Geschichte, Archäologie und Neugriechische Literatur. Er war in der Sekundarstufe auf Zypern als Lehrer und Schulleiter tätig sowie im Vorstand zahlreicher Vereine und Organisationen; zudem leitete er die Zyprische Bibliothek und war Mitglied des Gremiums für Paphos, europäische Kulturhauptstadt 2017. Er ist Vorsitzender der Bibliographischen Gesellschaft Zyperns sowie des PEN-Clubs und Mitglied des Beirats des Literatur- und Kunsthauses Nikosia. Bislang hat er dreißig Bücher publiziert, darunter drei Gedichtbände, bibliografische Arbeiten, Studien, Artikel und Kritiken zu Literatur und Kunst. Seit 2015 gibt er die Kunst- und Kulturzeitschrift Diorama heraus.

Text und Fotos: Andreas Chatzithomas. Übersetzung: Ina Berger. Redaktion: Michaela Prinzinger.

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