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3.-6. Mai 2018 – NEW GREEK WAVE: Zeitgenössisches Theater aus Griechenland am Theater Bremen. Zu Gast ist auch „Lächerliche Finsternis“ von Wolfram Lotz, inszeniert von Katerina Giannopoulou und übersetzt von Greg Liakopoulos. Michaela Prinzinger traf sich für diablog.eu mit den beiden Theatermachern zum Gespräch über ihre Arbeit. Den Spielplan des Festivals finden Sie hier.

Greg und Katerina, ihr lebt als Theatermacher in Berlin und Athen. Anfang Mai seid ihr zum NEW GREEK WAVE Festival ins Theater Bremen eingeladen. Wie und wo seid ihr auf das Stück von Wolfram Lotz „Lächerliche Finsteris“ gekommen, das ihr mit deutschen Übertiteln zeigen werdet? Wie seid ihr mit den Festivalmacherinnen in Kontakt gekommen?
Katerina: Auf das Stück sind wir kurz nach seiner Uraufführung gekommen, da wir einen guten Bezug zur deutschen Theaterlandschaft haben. Und seitdem war es für uns klar: Dieses Stück muss auch in Griechenland aufgeführt werden. Dann haben die Bremer Festivalkuratorinnen direkt Kontakt zu uns aufgenommen.
Grundthema des Stücks ist der europäische Kolonialismus und sein Blick auf das Fremde. Es ist ein Stück über Kolonialherrschaft und Männlichkeit, Religion und Schuldgefühle, Eurozentrismus und Massenmedien, Identität und die Grenzen der szenischen Realität. Du, Greg, hast das Stück ins Griechische übersetzt, und Katerina hat es an der Experimentalbühne des Athener Nationaltheaters inszeniert. Was hat euch daran sofort angesprochen und zu eurer Inszenierung inspiriert?
Katerina: Ja das stimmt, das gehört alles zum Inhalt des Stücks. Und es wird umso interessanter, da es mit einem ironischen, ja fast zynischen, und ungewöhnlichen Humor geschrieben ist – ein probates Mittel, um mit unserer absurden Welt klarzukommen. Lotz hat ein Universum grotesker Figuren und unmöglicher Regieanweisungen geschaffen, was unserer Meinung nach zu einer Bühne, die den Namen Experimentalbühne trägt, ganz gut passte.
Greg: Die „Lächerliche Finsternis“ stellt inhaltlich eher eine Ausnahme für die Theaterszene Griechenlands dar, da die Griechen sich selbst kaum als Teil eines Kolonialsystems betrachten. Und dieser Aspekt war uns wichtig. Und darüber hinaus wollten wir Wolfram Lotz dem griechischen Publikum vorstellen, das war seine griechische Erstaufführung.
Katerina: Es ist beeindruckend, wie er aus Coppolas „Apocalypse Now“ und Conrads „Herz der Finsternis“ etwas Neues geschaffen hat, indem er Klischees und Vorurteile, die nicht immer gleich als solche erkennbar sind, auf den Kopf stellt.

Ursprünglich war das Stück ein Hörspiel, dann ein Theaterstück. Darin gibt der Autor den Regisseuren große Freiheiten. Wie habt ihr die genutzt? Habt ihr das Stück teilweise „umgeschrieben“ oder den Athener Umständen „angepasst“?
Katerina: Die Entscheidung, ein Hörspiel auf die Bühne zu übertragen, hat unsere Arbeit erheblich erschwert, da wir es zuerst fürs Theater bearbeiten mussten. Das war für uns eine Herausforderung, die uns sehr motiviert hat. Die ursprüngliche „Hörbarkeit“ des Stücks und sein omnipräsenter Humor wurden zum Dreh- und Angelpunkt all unseren Veränderungen und Eingriffe. Da es um die griechische Erstaufführung ging, bestand die Gefahr, dass einiges an der „Lächerlichen Finsternis“ zu fremd bzw. deutsch klingen würde. So haben wir uns eher auf die gesamteuropäische Dimension des Stücks konzentriert, da Griechenland Teil einer eurozentrischen Weltsicht ist, obwohl es für sich die Rolle des Außenseiters reklamiert.
Wolfram Lotz spricht in seiner „Rede zum Unmöglichen Theater“ vom Theater als Ort, wo Fiktion und Wirklichkeit aufeinanderprallen, ja, wo Fiktion in Wirklichkeit umgewandelt wird. Wo seht ihr die Sprengkraft des zeitgenössischen Theaters, das Lotz als „Berg Harmageddon“ bezeichnet, also als Ort der alles entscheidenden Schlacht zwischen Realität und Phantasie?
Greg: Das Theater ist zugleich ein Ort der Lüge (d.h. der Fiktion und Phantasie) und ein Ort der Wahrheit und Wirklichkeit (die Körper der Schauspieler*nnen auf der Bühne einerseits, die der Zuschauer*nnen andererseits). Diese beiden Gegenspieler stehen in ewigem Kampf miteinander – wohl wissend, dass es keinen Sieger geben kann. Während um uns herum eine Kultur der Virtual Reality, des Eskapismus und der Suche nach alternativen Realitäten auf dem Vormarsch ist, hat das Theater die Chance, die Wirklichkeit als Fiktion zu betrachten, als ein absurdes Werk eines dementen Greises, um ihr danach ins Auge zu blicken und ihr lächelnd einen Kaugummi ins Haar zu kleben. Das ist mein „Unmögliches Theater“ und das ist die „Lächerliche Finsternis“.
Katerina: Es wird erst wirklich interessant, wenn man anfängt, mit den Grenzen zu experimentieren. Die Wirklichkeit ist immer da, und das Theater sollte sie eher „mitdenken“, als vor ihr zu flüchten. Die Bühne ist ein Kinderspielplatz, wo Wirklichkeit und Fiktion fröhlich miteinander spielen und zusammen ein heiteres Lied anstimmen.

Greg, was waren für dich die größten Herausforderungen bei der Übertragung von „Lächerliche Finsternis“?
Greg: Lotz benutzt eine besondere, zugleich alltägliche und erhabene Sprache, und hat ein Stück geschaffen, das voller kultureller und politischer Zitate, ambivalenter Aussagen und unerfüllter Erwartungen ist. Die größte Herausforderung war, eine angemessene Übertragung dieser Sprache ins Griechische zu finden und dabei der einzigartigen Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit treu zu bleiben.
Katerina, du nimmst im Anschluss an das Bremer Festival am Internationalen Forum des Berliner Theatertreffens teil. Wie möchtest du deinen Aufenthalt nutzen und welche Perspektive siehst du für eine verstärkte Wahrnehmung des griechischen Theaters im deutschsprachigen Raum?
Katerina: Für eine junge Theatermacherin ist die Teilnahme am Internationalen Forum vor allem deswegen wichtig, weil man die Möglichkeit hat, sich mit KollegInnen aus aller Welt auszutauschen – eine Chance, die einem sonst nur sehr selten geboten wird. In jedem Kunstwerk ist die Geschichte und somit auch die Herkunft seines Schöpfers eingeschrieben. Daraus ergibt sich die spannende Frage, wie diese unterschiedlichen Ansätze miteinander kommunizieren können. Das griechische Theater verfügt nur über wenige Möglichkeiten, sich nach außen zu wenden und in einen internationalen Austausch einzutreten. Festivals wie NEW GREEK WAVE und das Internationale Forum des Berliner Theatertreffens sind daher umso wichtiger!
Interview: Michaela Prinzinger/Katerina Giannopoulou, Greg Liakopoulos. Redaktion: Michaela Prinzinger. Fotos: Karol Jarek.
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