Oresteia

Eine Open Air-Oper von Iannis Xenakis

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Die Deutsche Oper Berlin eröffnet die Saison 2014/15 mit einem Stück „Musiktheater unter Hochdruck-Kompression“. So beschreibt Regisseur David Hermann Iannis Xenakis’ ORESTEIA. In einer knappen Stunde Spieldauer wird die Handlung aller drei Teile der „Orestie“ des Aischylos erzählt. Diese zieht wie in Zeitraffer am Publikum vorbei, in schlaglichtartigen Momentaufnahmen, die mit ihrer Klarheit und Prägnanz die Geschehnisse in einer fast schmerzlichen Schärfe erscheinen lassen – und mit einer Musik, die mit ihrer Wucht und Ausdrucksstärke von Beginn an den Zuhörer zu fesseln vermag.

Entstanden ist die ORESTEIA als das Werk eines Künstlers, der abseits der wichtigsten Strömungen der Nachkriegsavantgarde einen eigenständigen und dabei radikal modernen Weg des Komponierens eingeschlagen hatte. Seine musische, philosophische und mathematisch-naturwissenschaftliche Mehrfachbegabung war der Hintergrund, aus dem heraus er hochabstrakte Modelle zur Konstruktion seiner Kompositionen entwickelte. Das sinnliche Erleben seiner Musik ist jedoch geprägt vom Freisetzen enormer Kräfte, von einer schroffen, aber nicht minder mitreißenden Klangdramaturgie und immer wieder auch von zerbrechlichen und hochpoetischen Momenten.

Tanzende Künstler auf großer Freitreppe

Hinzu kommt als Konstante in Xenakis’ Lebenswerk die Auseinandersetzung mit der griechischen Antike. Diese war für ihn Inspirationsquelle wie „geistige Heimat“. In der griechischen Diaspora im rumänischen Brăila 1922 geboren, verlor Xenakis fünfjährig die Mutter, wurde dann wochenweise im Wechsel von deutsch-, englisch- und französisch­sprachigen Kindermädchen aufgezogen und mit zehn von seinem Vater auf ein Internat auf den griechischen Inseln geschickt. Hier wurde die griechische Antike zu einem Zufluchtsort des letztlich eltern- und heimatlos Heranwachsenden. Als Student im von den Deutschen besetzten Athen verbanden sich die Auseinandersetzung mit der alt-griechischen Philosophie und Xenakis’ Engagement im kommunistischen Widerstand, bevor er nach seiner Verwundung im griechischen Bürgerkrieg und dem sich anschließenden Exil in Paris ab 1947, bis zu seinem Lebensende 2001, wieder ein Leben in der Fremde führte.

Von sich selber sagte Xenakis daher, er sei ein „Grieche, geboren im falschen Jahrtausend“. Aber selbst ein Werk wie die ORESTEIA, entstanden ursprünglich als Schauspielmusik für eine Open-Air-Produktion 1966 und später mehrfach über- und zum Musiktheater umgearbeitet, ist jedoch weit davon entfernt, die Rekonstruktion antiken griechischen Theaters vorzunehmen. Wohl gibt es Anklänge in der Instrumentation, es gibt die zentrale Rolle, die den Chören innerhalb des Stückes zukommt und es wird der altgriechische Originaltext verwendet. Insgesamt aber ist es ein Stück, das aus dem Spannungsfeld zwischen Antike und Gegenwart heraus eine neue, hochmoderne Lesart dieses zentralen Stoffes der Weltliteratur entwickelt – und für das Xenakis eine einzigartige Form zwischen Open-Air-Spektakel und zeitgenössischem Musiktheater gefunden hat.

Parkdeck auf der Rückseite der Deutschen Oper

So einzigartig die Form der ORESTEIA ist, so ungewöhnlich ist der Spielort, den das Produktionsteam um Regisseur David Hermann auf der Rückseite der Deutschen Oper gefunden hat. Hier öffnet sich zwischen Garderobentrakt, Kulissenmagazinen und Parkdeck ein Hof, dessen Architektur verschiedenste Zeiten und Stile vereint. Es ist ein Ort, der zu gleichen Teilen schroff und intim ist, ein Ort der Moderne und zugleich der Hof des Atriden-Palastes, dessen Inneres sich hinter gewaltigen Stahltoren verbirgt.

Für David Hermann und seinen Ausstatter Christof Hetzer ist ORESTEIA nach der gefeierten Inszenierung von Helmut Lachenmanns DAS MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN die zweite Arbeit an der Deutschen Oper Berlin. Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Moritz Gnann.

Iannis Xenakis

Oresteia

Musiktheater für Bariton, Chor, Kinderchor und Kammerorchester

In altgriechischer Sprache mit deutschen Übertiteln, Dauer: 60 Minuten

Die griechischen Mitwirkenden sind:

Orest: Aristoteles Chaitidis, Spyridon Markopoulos, Eleftherios Veniadis

Elektra: Despina-Vasiliki Bipika, Dimitra Thomaidou, Alexandra Zoe

Tänzerin: Sophia Pinzou

Premiere open air auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Berlin

am 9. September 2014 um 20 Uhr

weitere Vorstellungen am 12., 13., 15., 16. September 2014

Fotos: Teaserfoto: Pascal Buennin, andere Bilder: Bernd Uhlig

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