Songs for Kommeno: „Was ich geben kann, ist Musik“

Interview mit Günter Baby Sommer, Musiker

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Anlässlich der bevorstehenden fünf Konzerte in Griechenland können Sie auf diablog.eu das Gespräch zwischen Patrick Landolt und dem Jazzmusiker Günter Baby Sommer nachlesen, das im umfangreichen CD-Beiheft der „Songs for Kommeno“ erschienen ist. Die Konzerte finden am 8. Oktober in Patras in der Aithousa Lithografeion, am 9. Oktober in Thessaloniki im Probesaal des KOTH (Pallas), am 10. Oktober in Ioannina im Politistikos Polychoros “Dimitris Chatzis”, am 11. Oktober in Corfu im Seven Arts Venue und am 14. Oktober in Athen im Goethe Institut statt.

4924_Kommeno_BabySommer by Matthias Creutziger

Im Sommer 2008 spieltest du ein Konzert im griechischen Kommeno. Wie kommt der Jazzschlagzeuger aus Dresden dazu, auf dem Dorfplatz einer kleinen Ortschaft am Südrand des Epirus aufzutreten?

Mich hatte Nikos Touliatos eingeladen, ein griechischer Schlagzeugkollege, der in Kommeno ein kleines Perkussionsfestival organisiert hatte. Er war vom dortigen Bürgermeister Christos Kosmas dazu angeregt worden, Kommeno auch als Ort für Kultur bekannt zu machen. Dieser Bürgermeister engagiert sich dafür, dass die Geschichte seines Dorfes nicht in Vergessenheit gerät. Nikos wollte seinem ersten Perkussionsfestival auch eine internationale Dimension geben und bat mich um ein Solokonzert.

Was hast du von der Geschichte Kommenos gewusst?

Nichts. Bei der Ankunft am Vorabend meines Konzerts begrüsste mich der Bürgermeister mit der Frage, ob ich die Geschichte seines Dorfes kennen würde. Als ich das verneinte, erzählte er mir in gebrochenem Englisch von einem Massaker der deutschen Wehrmacht, das vor 65 Jahren stattgefunden hatte. Dazu überreichte er mir ein Büchlein, in dem die Geschichte dieses Massakers von dem deutschen Autoren Hermann Frank Meyer (Kommeno. Erzählende Rekonstruktion eines Wehrmachtverbrechens in Griechenland. Romiosini, Köln 1999) beschrieben wurde.

Kommeno Dorfplatz mit Gedenkstein, Tobias Sommer

Wie hast du darauf reagiert?

In der Nacht habe ich dieses Buch im nahegelegenen Hotel in Arta gelesen, und ich fasste daraufhin spontan den Entschluss, am nächsten Tag sofort wieder abzureisen: Hier kann ich nicht bleiben. Nach Zögern und langem Überlegen sagte ich mir: Diese Herausforderung muss ich annehmen. Ich nahm mir vor, aus meiner heutigen Sicht mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Dorfes zu den Vorkommnissen ins Gespräch zu kommen. Am Morgen vor dem Konzert machte ich mir Gedanken zu einer Ansprache. Ich überlegte, wie ich den Bewohnerinnen und Bewohnern von Kommeno mein Konzert widmen und ein Musikstück als Hommage an die getöteten Kinder konzipieren könnte.

Wie verlief das Konzert?

Ich begann das Konzert mit der vorbereiteten Ansprache, in der ich den Bewohnerinnen und Bewohnern des Dorfes erzählte, dass der Tag des Massakers nur wenige Tage vor meiner eigenen Geburt war. Ich äusserte meine Betroffenheit über die Taten der Generation meines Vaters und widmete mein erstes Stück den Opfern. Dieses Stück spielte ich nur mit meinen Röhrenglocken – ohne zu wissen, dass ich damit Assoziationen auslöste, weil dieser Klang an die Glocken der alten Kirche erinnert. Höhepunkt der Emotion zwischen Publikum und mir war das Schlussstück, das ich den getöteten Kindern widmete. Die Leute erhoben sich von ihren Sitzen, einige begannen zu weinen, andere umfassten ihre Halsketten mit den Kreuzen. Dieser Moment war der Ausgangspunkt für eine enge Beziehung zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern des Dorfes und mir.

Was folgte danach?

Ich verschob meine Abreise um mehrere Tage. Auf dem Dorfplatz steht ein grosser Obelisk mit den Namen der 317 getöteten Einwohnerinnen und Einwohner. Zu meinem Entsetzen las ich 17-mal denselben Familiennamen und erkannte, dass die Jüngsten im Alter von sieben Monaten, die Ältesten im Alter von über 90 Jahren getötet wurden. Ich wollte die Überlebenden kennenlernen. Am Tag nach dem Konzert stellte mich der Bürgermeister Maria Labri vor, einer 78-jährigen Frau, die überlebt hatte, weil sie sich am Tage des Massakers im Nachbardorf aufhielt. Sie ist die einzige Überlebende ihrer Familie. Die Begegnung mit Maria Labri war sehr emotional. Die alte Frau musterte mich zwanzig Minuten lang, ohne ein Wort zu sagen. Ich war ihren Blicken ausgesetzt und konnte nur ahnen, was sie über diesen Deutschen, der da vor ihr sass, dachte.

Maria Labri und Günter Baby Sommer in Kommeno, Tobias Sommer

Mir lief es kalt den Rücken herunter, ich bekam Schweissausbrüche. Der Bürgermeister Christos Kosmas vermittelte, so entstand ein Gespräch. Nach einer Stunde durfte ich mich neben sie setzen. Christos Kosmas machte ein Foto von Maria Labri und mir. Nach dem Abschied von ihr gingen wir durch die engen Strassen des Dorfes, an mehreren Häusern öffneten sich die Türen und wir wurden hereingebeten. Ich stellte fest, dass es alles Leute waren, die am Konzert waren. Sie erzählten von ihren Erfahrungen, äusserten sich zum Massaker, sprachen von ihren Familien, Vätern, Grossmüttern. Dabei wurde ich bewirtet und verliess kein Haus, ohne ein kleines Geschenk erhalten zu haben. Diese Besuche setzte ich an den folgenden Tagen fort.

Ich versuchte das Haus zu finden, in dem eine feiernde Hochzeitsgesellschaft in den frühen Morgenstunden des 16. August 1943 massakriert worden war. Im gegenüberliegenden Haus besuchte ich den Überlebenden der Familie Mallios. Alexandros Mallios ist als einziger der grossen Familie noch am Leben, weil er im Morgengrauen von seinem Vater zum Vieh geschickt worden war, das sich ausserhalb des Dorfes befand. Später führte man mich zu einem alten Haus, das mit einer Kette verschlossen war. Man öffnete dieses Haus und zeigte mir die Innenräume, in denen die neunköpfige Familie Skaras erschossen worden war. Das Haus atmete noch die Atmosphäre der Tatzeit. Nichts war verändert. Die Zeit war eingefroren.

Das darauffolgende Jahr warst du wieder in Kommeno und hast erneut am Festival gespielt. Wie war diesmal das Ankommen?

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Ich wurde freundlich, ja geradezu euphorisch auf dem Marktplatz begrüsst. Fürs Festival im August 2009 kam ich mit meiner Gruppe Percussion Staff, das sind fünf Schlagzeuger aus Italien, mit denen ich seit zwanzig Jahren zusammenspiele. Die Italiener waren noch vor den Deutschen als Besatzungsmacht in Kommeno gewesen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Kommeno abseits der touristischen Routen liegt. Das Festival veränderte dies, es brachte eine Öffnung. Wenn ich am Abend auf dem Dorfplatz sass, kamen die Leute auf mich zu und erzählten Geschichten, die kaum zu fassen waren. Ich liess die Menschen reden und hörte zu. Zuhören war das einzige, was ich tun konnte. Eine immense Last.

Eine Last?

Ich habe mich immer wieder in die Stunden des Verbrechens hineinversetzt, mich mit den Tätern und den Opfern identifiziert und so den Moment des Massakers nacherlebt. Im direkten Gegenüber mit den Opfern und deren Nachkommen erlebte ich deren Leid. Die Barbarei dieser Tat macht so hilflos. Ich konnte ja nichts geben ausser zuhören.

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Du hast dich entschieden, Musik für Kommeno zu schreiben. Was willst du damit?

Ich bin kein Politiker, ich bin Musiker. Was ich geben kann, ist Musik. Deshalb entschied ich mich, ein musikalisches Projekt zu entwickeln, das den Namen des Dorfes und die Erinnerung an das Leid der Opfer in den Mittelpunkt rückt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben deutsche Intellektuelle wie der Philosoph Theodor Adorno oder der Lyriker Paul Celan sich dezidiert zur Frage der Möglichkeiten von Kunst geäussert. Gemäss Adorno war es unmöglich, nach Auschwitz noch ein Gedicht zu schreiben. Adorno hat sein Verdikt nach jahrelangen Briefwechseln mit Paul Celan weitgehend zurückgenommen – oder gar radikalisiert. Er schrieb in einem seiner letzten Briefe an den Autoren der „Todesfuge“: „Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe kein Gedicht mehr sich schreiben. Nicht falsch aber ist die minder kulturelle Frage, ob nach Auschwitz noch sich leben lasse”.

Der moralische Gestus von Adorno ist angesichts der Barbarei der Nazis im Zweiten Weltkrieg verständlich. Aber wir wollen ja leben. Ich will mich mit meiner Musik in Bezug zur Welt stellen. Ich glaube an eine bessere Welt und will ein kleines Stück dazu beitragen.

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Du bist Jazzmusiker. Jazz ist ursprünglich die Befreiungsmusik der Schwarzen. Stellst du dich bewusst in diese Tradition der Befreiung?

Der Blues, der ein Teil des Jazz ist, beschreibt das Lieben und Leiden am Leben. Er beinhaltet Resignation und Aufbruch, Trauer und Freude. Jazz ist auch Befreiung von allem, was uns auf unnatürliche Weise einengt und begrenzt.

Ist Jazz für dich eine politische Musik?

Ja. Sie ist die Musik, die am schnellsten auf Zeitereignisse reagieren kann. Sie geht nicht den umständlichen Weg über Partituren und Orchesterkörper, sondern verlangt als Kunst der Improvisation Stellungnahme. Aus meiner Verbundenheit zum Jazz seit seinen Anfängen habe ich verinnerlicht, dass wir uns zu den Ereignissen in unserer Welt ins Benehmen setzen müssen. Arnold Schönberg sagt: „Kunst kommt nicht von können, sondern von müssen“. Meine Kunst muss unter anderem die Ermordung des nigerianischen Schriftstellers Ken Saro-Wiwa oder die Zerstörung der Natur unseres Planeten durch die Profitgier von Konzernen wie Shell oder Monsanto benennen.

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Du bist seit vielen Jahren unterwegs und spielst auf unzähligen Bühnen. Als Bürger der DDR bist du früher auch viel in Osteuropa oder auf dem Balkan aufgetreten. Dein deutscher Musikerkollege Peter Brötzmann hat im Rahmen eines Gesprächs aus Anlass seines 70. Geburtstags in Wuppertal gesagt, dass ihn, den Deutschen, auf seinen Konzertreisen in Osteuropa Scham begleitete. Was sind deine Erfahrungen?

Es gab einen wesentlichen Unterschied in der Wahrnehmung eines Repräsentanten aus Westdeutschland oder der DDR. Im Vergleich zu den Erfahrungen, die ich in Griechenland gemacht habe, waren die Erfahrungen in Osteuropa weniger geprägt von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs, weil es ja mittlerweile im gesamten sozialistischen Ostblock eine fast kollektive Verdrängung der Verbrechen des Zweiten Weltkriegs gegeben hatte. Ich kann mich an nicht eine Situation erinnern, bei der wir auf die Verbrechen der Nazis angesprochen worden wären. Wir waren ein „einziges sozialistisches Brudervolk“. Die Verantwortung für die Verbrechen der Nazis im Zweiten Weltkrieg wurde von offizieller Seite des Ostblocks an die Bundesrepublik Deutschland delegiert. Ich glaube, dass wir alle dadurch Schaden genommen haben.

Du spielst seit vielen Jahren regelmässig in Griechenland. Wann waren die ersten Kontakte?

Als ich 1979 mit Wadada Leo Smith und Peter Kowald im Trio Chicago-Wuppertal-Dresden in Thessaloniki an einem Festival spielte, das von Floros Floridis und Sakis Papadimitriou organisiert worden war, lernte ich griechische Musiker kennen. In den folgenden Jahren entwickelte sich eine starke Beziehung zu dem Pianisten Sakis Papadimitriou. Er organisierte Touren und Workshops, auf denen ich griechischen Musikern meine Spielweise vorstellen konnte. Ich bemerkte, dass Griechenland für unsere zeitgenössische Improvisationsmusik ein Pionierland war. Die Übermacht der Bouzouki-Klänge war erdrückend. Zehn Jahre später gab es in Saloniki ein Festival, das meiner Arbeit gewidmet war. Aus der Workshop-Arbeit ging auch der damals noch rockorientiertere Nikos Touliatos hervor, der das Festival in Kommeno organisierte und ein namhafter Jazzschlagzeuger ist.

Dein wichtigster Partner in Griechenland ist heute der Klarinettist, Saxophonist und Komponist Floros Floridis?

Ja, zu Floros Floridis kam ich über die Trio-Arbeit mit Peter Kowald. Floros Floridis vereint den Reichtum der griechischen Volksmusik und die avancierten Spielpraktiken zeitgenössischer Jazzmusik in einer Person. Er ist ja nicht nur ein sehr guter Musiker, sondern er hat sich in Griechenland auch immer als Veranstalter engagiert und hat aussergewöhnliche organisatorische Fähigkeiten.

Kommeno band by Tobias Sommer

Welche Rolle spielte die Idee des „Global Village“ des Bassisten Peter Kowald für deine Zusammenarbeit mit den griechischen Musikern?

Kowalds Gedanken des „Global Village“ habe ich mir zu eigen gemacht. Der Einfluss der unterschiedlichsten Kulturen hat den Jazz immer bereichert. Heute ist die Welt tatsächlich zum Dorf geworden. Die Kulturen der Welt sind zusammengerückt. Das Zusammenspiel von Musikern aus unterschiedlichen Kulturkreisen kann künstlerisch zu Innovationen führen und ist auch eine Brücke zu mehr Toleranz.

Du hast für die „Songs for Kommeno“ vier griechische Musiker gewählt. Welches waren deine Überlegungen?

Als deutscher Musiker suchte ich für meine Hommage an Kommeno griechische Musikerinnen und Musiker. Die Geschichte von Kommeno ist eine deutsch-griechische Tragödie. Ich wählte Musikerinnen und Musiker aus, die im Kontext meines musikalischen Wirkens beheimatet sind. Ich schätze diese Musiker, weil sie die Fähigkeit zur Improvisation auf der Basis ihrer eigenen musikalischen Traditionen mitbringen. Diese Kooperation entspricht meinem interkulturellen Anliegen in Respekt für die griechische Tradition und Kultur.

Der Kern des Quintetts ist das bestehende Trio Floridis-Kastanis-Sommer.

Dieses Trio formierte sich erstmals unter dem Namen Günter Baby Sommer Greek Connection. Nach dem Tod von Peter Kowald wollte ich die Trioarbeit mit Floros Floridis fortführen. Wir haben 2007 mit dem Kontrabassisten Spilios Kastanis aus Patras ein Programm erarbeitet und gingen auf Tour.

Plattencover Songs for Kommeno

Wie bist du auf Eugenios Voulgaris und Savina Yannatou gestossen?

Im Gegensatz zu Spilios Kastanis und Floros Floridis, die ihre Ohren sehr nahe an der Jazzmusik haben, bewegen sich Savina Yannatou und Eugenios Voulgaris mit ihrem künstlerischen Schaffen in der griechischen Volks- und Kunstmusik. Savina Yannatou hat ihre ersten Ausflüge in die freie Improvisation an der Seite von Peter Kowald gemacht. Eugenios Voulgaris bleibt mit seinen Improvisationen dem volksmusikalischen Idiom sehr nahe.

Was fasziniert dich an der griechischen Volksmusik?

Es sind die Skalen und deren harmonische Basis sowie die speziell griechische Tongebung sowohl von Instrumentalisten wie auch Sängerinnen, die bei mir starke Emotionen auslösen.

Im Mittelpunkt der CD stehen deine Kompositionen «Marias Miroloi», «Children Song», «Kommeno Today». Wie schaffst du musikalisch den Bezug zu Kommeno?

In «Marias Miroloi» bildet der Originalgesang von Maria Labri, einer Überlebenden des Massakers, das Zentrum. Bei meinem zweiten Besuch in Kommeno durfte ich ihren Klagegesang, der die Geschichte des Massakers erzählt, mit einem kleinen Recorder aufnehmen. Dass Maria Labri auf so persönliche Weise zu unserem musikalischen Projekt beiträgt, ist Ausdruck eines grossen Vertrauens. Das Stück «Marias Miroloi» besteht aus mehreren Teilen. Der erste Teil stellt eine griechische Klangatmosphäre her. Wir hören die Solisten Eugenios, Floros und Savina. Der Bassist Spilios und ich geben ihnen dafür die Bordun-Grundlage. Im Teil B wird das musikalische Material des späteren Miroloi-Gesanges vorweggenommen. Die Stimme von Savina und die Klarinette von Floros agieren mit der kleinen Terz – dem Hauptintervall von Marias Gesang – und variieren diese bis zum dritten Teil, dem Beginn von Marias Originalstimme. Ich kontrastiere ihren Gesang mit archaischen Klängen von Gongs, tibetanischen Becken, Blechen, Bongos und einer riesigen Basstrommel. Dieser Gesangsteil mündet in ein instrumentales Freeplay des Tutti. Am Ende dieser langen Improvisation erzählt uns Maria Labri die Geschichte des Priesters von Kommeno, der den deutschen Soldaten am frühen Morgen entgegentrat und sie von ihrer mörderischen Absicht abhalten wollte, aber sofort getötet wurde. Zu diesem Erzählteil spiele ich eine Glocke, die an diese Geschichte vor der Kirche in Kommeno erinnert.

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«Children Song» widme ich den getöteten Kindern. Das musikalische Thema wird in Repetition von Stimme und Klarinette durch das ganze Stück hindurch gehalten. Darüber gibt es Solos vom Bassisten Spilios, von mir mit einer kleinen Marimba und von Eugenios auf der Oud. Bevor am Schluss das Kinderthema wieder einzeln dasteht, gibt es ein kulminatives Crescendo vom Tutti.

«Kommeno Today» ist der jüngeren Generation von heute gewidmet und transportiert ein Lebensgefühl, das die Geschichte überwinden will. Hier wird mit grösserer Leichtigkeit musiziert. Nahezu swingend entwickelt sich dieses Stück von einem Jungle-Groove bis zu tänzerischen Rhythmen.

Die griechischen Mitmusiker Floros Floridis und Eugenios Voulgaris haben drei Kompositionen beigesteuert.

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Das Stück «Lost Ring» von Floros Floridis entfernt sich mit Absicht vom direkten Bezug zu Kommeno. «Lost Ring» hat einen hymnischen Aufbau und führt uns in eine befriedete Welt. Eugenios Voulgaris’ Kompositionen «Tears» und «Lullaby» muten wiederum sehr griechisch an. «Tears» ist als ein instrumentales Miroloi angelegt und verkörpert in ganzer Länge einen originalgriechischen Sound. Bordun-Töne, Schellen, die klagende Klarinette und die erzählende Yaylı Tanbur sind der klangliche Ausdruck des Epirus. Die Komposition «Lullaby» ist ein griechisches Wiegenlied. Das Thema wird vom Kontrabass und der Yaylı Tanbur arco gespielt. Savina verkörpert mit ihrer Stimme die Fantasiewelt des einschlafenden Kindes.

Welche Aussage willst du mit dem Stück «Andartes» machen?

Die griechischen Partisanen nannten sich Andartes. Das einleitende Schlagzeugsolo könnte gut für die Situation des bedrängten griechischen Volkes stehen. Mit dem folgenden Duo von Bass und Yaylı Tanbur kann man das Gespräch zweier Partisanen assoziieren. Die drängende Figur auf der kleinen Trommel führt nun alle einem bestimmten Ziel entgegen. Das Stück versucht etwas über den Sinn von Widerstand auszusagen. Am Ende steht neben Stolz und Würde aber auch das Fragezeichen des Besiegten.

Fotos: Matthias Creuzinger (Foto 1), Tobias Sommer. Die CD ist beim Schweizer Label Intakt Records erschienen.

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Anlässlich der Tournee der “Songs for Kommeno” finden Künstler-Workshops statt, die sich mit Möglichkeiten der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Grauen des Kriegs, insbesondere den historischen Ereignissen in Griechenland während des zweiten Weltkriegs, befassen und die auch die Vernetzung griechischer und deutscher Künstler zum Ziel haben. Im Dezember 2014 sollen ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Deutschland eingeladen werden, um Ihnen einen Einblick in die dortige Kunstszene und Kontakte mit deutschen Künstlerinnen und Künstlern zu ermöglichen. Die Workshops finden statt:

11.10. Ioannina um 11:00-14:00 Uhr
12.10. Korfu um 10:00 -13:00 Uhr
13.10. Florina um 11:00-14:00 Uhr
15.10. Athen um 10:00-13:00 Uhr
16.10. Thessaloniki um 15:00-19:00 Uhr

Interessierte Künstler unterschiedlicher Disziplinen, die bereits Erfahrungen auf dem Gebiet der künstlerischen Verarbeitung des Schreckens des Kriegs gesammelt haben, insbesondere Künstler aus den Märtyrerorten und den jüdischen, werden gebeten, sich per E-Mail für die Teilnahme zu bewerben, mit einer kurzen Vita und einer Begründung zu ihrer Motivation. Bitte schicken Sie Ihre Bewerbung bis zum 08.10. an: info@elissavethasse.de. Sowohl die Konzerte als auch die Workshops werden aus Mitteln des Deutsch-Griechischen Zukunftsfonds gefördert.

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1 Gedanke zu „Songs for Kommeno: „Was ich geben kann, ist Musik““

  1. Ein wunderbares Projekt -DANK an Günter Baby Sommer.
    Es macht Mut und beweist, dass die Menschen untereinander in Frieden leben wollen und das gelingen kann, sogar nach diesen schrecklichen Untaten. Eine andere Welt ist möglich ! Laßt uns ALLE daran arbeiten.

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