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24.-28. 1. 2018 – Hellas Film Box in Berlin zum dritten Mal und in neuem Gewand: Am alten Austragungsort im Kino Babylon gibt es zum Aufwärmen zwei Wochen griechische Filme am laufenden Band. Am neuen Austragungsort Urban Spree gibt es Gespräche zwischen deutsch- und griechischsprachigen Filmemachern. Ein besonderes Highlight bildet der Zypernschwerpunkt am 25. Januar. Tickets erhalten sie hier.
HELLAS FILMBOX BERLIN
Hommage an das Neue Zyprische Kino
24.-28. Januar 2018, Urban Spree (Revalerstr. 99, 10245 Berlin)
Das 3. HELLAS FILMBOX BERLIN Festival, das diesmal vom 24. bis zum 28. Januar 2018 im legendären Urban Spree stattfindet, wird sich u.a. dem Neuen Zyprischen Kino widmen und rückt es deshalb als Schwerpunktthema in den Fokus. Mit diesem Programmteil bietet das Festival die Möglichkeit, einen repräsentativen Eindruck von der Filmgeschichte der Mittelmeerinsel zu gewinnen, und zu erfahren, mit welchen Themen und Fragen zyprische Künstler sich auseinandersetzen.
Mit dabei in der Auswahl ist „Die Schlachtung des Hahns“ („I sfagi tou kokora“) von Andreas Pantzis, ein herausragender Film aus den 90er-Jahren. Den Übergang zum nächsten Jahrzehnt vollzieht der Science-Fiction Spielfilm „Soul Kicking“ („Psychi sto stoma“) von Yannis Economides, der bei den International Critics Weeks beim Filmfestival in Cannes lief. Diese Filme zeugen von einer verstörenden Erforschung der Grenzen des moralischen Instinkts; sie katapultieren uns in eine Gesellschaft, die einem anhaltenden und irreversiblen Zerfallsprozess unterworfen ist.
Ein Jahrzehnt später vermitteln „Fish’n Chips“ von Elias Demetriou und „Gepäckband“ von Alexia Roider eine neue Sichtweise auf Fragen zu Identität und Entfremdung, wobei das eine unweigerlich mit dem anderen verbunden ist: ein Film über Zyprer der Diaspora, die den Schritt zurück in die Heimat wagen, und die Geschichte eines einsamen Mannes, der innerhalb der engen Grenzen seiner Wohnung eine Selbstfindung versucht. Zwei unterschiedliche Lesarten des menschlichen Bedürfnisses, sich als Individuum zu definieren, und zugleich Zeugnisse der Unfähigkeit, sich gegen Identitätszuweisungen durch andere behaupten zu können.
Die Dokumentation „Es bleibt das Meer“ („Istera menei i thalassa“) von Christos Georgiou und Giorgos Koumouros macht erfahrbar, wie die Situation, die die türkische Invasion von 1974 bedeutet, von den Einwohnern Yialousas nach der Besatzung erlebt wird, während der Spielfilm „Der Junge auf der Brücke“ („To agori sti gefira“) von Peter Charalambous uns ins Zypern der 80er Jahre versetzt, wo die Erinnerungen an die Invasion noch immer die Erlebniswelt der Erwachsenen ausmachen. Diese Welt verlangt nach Ansicht der Generation ihrer Kinder nach grundlegenden Veränderungen.
Artists Forum:
Anlässlich der Hommage an das zyprische Kino wird der griechisch-deutsche Filmemacher und Autor Asteris Kutulas in seiner neu gegründeten Reihe ARTISTS FORUM den zyprischen Komponisten Marios Elias Ioannou zu dessen „Künstlerischem Credo“ befragen und anschließend die Weltpremiere des Films „Marios Joannou Elia – Sound of Vladivostok“ von Kostis Nikolas präsentieren.
„Es bleibt das Meer“ (2016) von Christos Georgiou und Giorgos Koumouros erzählt die Geschichten von zehn Menschen aus dem Dorf Yialousa. Der Name des Dorfes könnte man übersetzen als „von Meereswellen umspült“. Das vermittelt bereits einen treffenden Eindruck von diesem Dorf an der abgelegenen Nordküste der zyprischen Halbinsel Karpasia. Der Film widmet sich einer Zeitspanne, die sich erstreckt von den 1960er-Jahren und den Tagen eines noch abgeschiedenen Lebens auf dem Lande, über die türkische Invasion 1974 bis heute. Tatsächliche Lebensgeschichten, bemerkenswerte, seltene.
In einem scheinbar idyllischen zyprischen Dorf finden die unbeschwerten Sommertage des zwölfjährigen Sokrates ein jähes Ende, als er unerwartet in den Mittelpunkt einer Mordermittlung gerät. Ein dunkles Familiengeheimnis wird aufgedeckt und Sokrates’ Leben verändert sich dadurch für immer.
Der 2016 entstandende Spielfilm „Der Junge auf der Brücke“ („To agori sti gefira“) von Petros Charalambous versetzt uns in das Zypern der 1980er-Jahre, als die Erinnerungen an die türkische Invasion immer noch die Erlebniswelt der Erwachsenen beherrschten. Diese Welt verlangt nach Ansicht der nachfolgenden Generation nach grundlegenden Veränderungen.
„Gepäckband“ (2015) von Alexia Roider zeigt die Geschichte eines einsamen Mannes, der innerhalb den engen Grenzen seiner Wohnung eine Selbstfindung versucht. Eine Lesart des menschlichen Bedürfnisses, sich als Individuum zu definieren.
Ein Mann lebt allein mit einer Schildkröte. Er ist eine unauffällige Person. Er hat eine heimliche Leidenschaft: Der Mann nimmt vergessenes, nicht abgeholtes und verlorengegangenes Gepäck vom Flughafen mit nach Hause. In der Sicherheit seiner eigenen Welt untersucht er methodisch den Inhalt jedes einzelnen Gepäckstücks; alle kleinen Details werden zu Hinweisen auf ein anderes Leben und eine ihm unbekannte Person. Dieses Ritual ist ihm zum Lebensinhalt und zu seiner einzigen Verbindung mit der Außenwelt geworden. Bis eines Tages ein Koffer auftaucht, womit sich alles ändert …
Andy, ein hart arbeitender zyprischer Immigrant in London, der das Gefühl hat, seine Energie durch ein bedeutungsloses Leben zu verbrauchen, beschließt, London zu verlassen und nach Zypern zu ziehen. Nachdem er sein ganzes Leben für andere geschuftet hat, eröffnet er dort endlich seine eigene Frittenbude. Doch sein Traum wird zum Albtraum, denn er scheint ein kleines Detail übersehen zu haben: Zypern ist eben nicht London!
„Fish’n Chips“ (2011) von Elias Demetriou vermittelt eine neue Sichtweise auf Fragen zu Identität und Entfremdung, wobei das Eine unweigerlich mit dem Anderen verbunden ist: ein Film über Zyprer der Diaspora, die den Schritt zurück in die Heimat wagen – eine sehr spezifische Lesart des menschlichen Bedürfnisses, sich als Individuum zu definieren, und zugleich ein Zeugnis der Unfähigkeit, sich gegen die Identität, die einem von anderen zugewiesen wird, behaupten zu können.
Takis sitzt in der Falle. Takis versucht zu entfliehen. Takis braucht Geld. Er hat eine Familie, ein Baby, ein Zuhause … Takis wird betrogen. Er liebt und er leidet … Takis hält’s auf seiner Arbeit nicht mehr aus. Takis hat einen einzigen Freund und seine Verwandten. Aber die Zeit wird knapp für Takis. In seinem Kopf breitet sich eine schwarze Wolke aus, die alles verdunkelt … Takis schweigt und wird immer wütender, versinkt tiefer in seiner Verzweiflung …
„Soul Kicking» („Psychi sto stoma“, 2001) von Yannis Economides zeugt von einer verstörenden Erforschung der Grenzen des moralischen Instinkts; der Film katapultiert uns in eine Gesellschaft, die einem anhaltenden und irreversiblen Zerfallsprozess unterworfen ist.
Im Film „Die Schlachtung des Hahns“ („I sfagi tou kokora“, 1996) beschließen Evagoras und Onisilios aus Sehnsucht nach einem besseren Leben nach dem Persischen Golf auszuwandern, um ihr eigenes Geschäft zu gründen. Als sie nach Hause zurückkehren, eröffnen die beiden einen Nachtclub. Doch die Vergangenheit holt sie ein.
Es ist eine Liebesgeschichte, ein Film über Kommunikation auf verschiedenen Ebenen und auf verschiedene Arten und Weisen.
Ιm Film sind Griechisch, Englisch und Altgriechisch in erasmianischer Aussprache zu hören; Kommunikation auch das – und auch noch direkter, auf der Ebene der gesprochenen Sprache. Ein taubstummes Mädchen taucht in dieser Geschichte auf und repräsentiert einen weiteren Aspekt der Kommunikation: das Schweigen. Das Mädchen spricht nicht. Es hört nicht. Es fühlt …
Für die Menschen in den arabischen Ländern ist Südeuropa allerdings der Norden. Und die arabischen Länder sind aus südeuropäischer Sicht der Süden. Menschen wandern aus, auf der Suche nach einem besseren Leben. Sie kommen in die arabischen Länder aus dem gleichen Grund, weshalb pakistanische Arbeiter oder Mädchen von den Philippinen nach Zypern kommen: auf der Suche nach einem besseren Leben.
In den arabischen Ländern haben Evagoras und Onisilios einen Boss. Ιn Zypern sind sie die Bosse. Im Film sprechen Bosse immer Englisch. Es ist ein Film über den amerikanischen Traum. Es ist ein Film über die Farbe Grün und über das Wasser. Ein Film über die gelben, ockerfarbenen Erntefelder, über die Wüste und über den Mangel an Wasser. Es ist eine Liebesgeschichte, die zur Tragödie wird.
Text: Hellas Film Box, Redaktion: Michaela Prinzinger.
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