Zwischen Klang und Stille

Künstlerisches Projekt von David Benforado, Maler

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David Benforado – ein Künstler, der zwischen verschiedenen Religionen und Mentalitäten pendelt – zeigt neue abstrakte Bilder. Besonderes Augenmerk legt er auf die Verbindung von Musik und Malerei, aber auch die figürliche Darstellung – insbesondere aus der Tierwelt – kommt nicht zu kurz…

David Benforado liebt Ziegen. Jede habe ihren eigenen Charakter, ihren eigenen Blick. Ungefähr zwanzig von ihnen hat er porträtiert und drei Ausstellungen dazu gemacht. Neben den figürlichen Bildern malt er vorwiegend abstrakt, aber die Ziegen seien ein „Renner“.

LISAVETA
David Benforado: Lisaveta, ©Detlef Baltrock

David Benforado ist einer der jungen griechischen Künstler, die in den letzten Jahren nach Berlin gekommen sind. Er ist in Athen geboren und aufgewachsen, stammt jedoch aus einer sephardisch-jüdischen Familie aus Thessaloniki. Zurzeit hat er die Möglichkeit, in einem der Ateliers hinter dem Gelände der Aufzugfabrik Schindler in Berlin-Tempelhof, gleich gegenüber der Artothek der Berliner Sozialen Künstlerförderung zu arbeiten. Ein schöner Ort der Industriearchitektur, findet er. Und hierher verirrt sich auch kein zufälliger Besucher, sodass er in aller Ruhe malen kann.

Eine Kuh blickt durch eine Fensterscheibe auf das Fabrikgelände, ein Skelett und andere Theaterutensilien erinnern daran, dass in den Hallen Opernrequisiten lagern.
David hat ein gutes Händchen für Tiere, das merkt man daran, wie er mit seiner Hündin Skoura und einem Gasthund umgeht, den er wegen seiner Gemütsruhe „Hippie“ nennt. Sie stören ihn nicht beim Arbeiten, sondern sind ihm willkommene Gesellschaft und Abwechslung. Außerdem bietet das weitläufige Gelände genügend Auslauf, nur dass „Hippie“, der Stoiker, der kleinen Skoura beim Herumtollen lieber zuschaut.

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Also, wie war das mit den Ziegen? David schmunzelt. Dazu muss er ein bisschen ausholen. Es war auf einer Reise zur kleinen Insel Furni südlich von Samos. Mit seiner Frau Valentina verbrachte er dort einen ganzen Monat, um sich von einem längeren Ausstellungsprojekt zu erholen. Und, wie immer, sind die Wege zu den schönsten Stränden nicht in der Landkarte verzeichnet, sondern man erfährt sie von den Einheimischen.

Und, ebenso wie fast immer, muss man als Wanderer darauf achten, die Zäune wieder zu schließen, damit die Tiere auf ihrer Weide bleiben. Dabei kam er ins Gespräch mit den Hirten, und sein Interesse war sofort erwacht. Er wollte etwas über die Tiere lernen, regelmäßig bei der Arbeit helfen, alles genau beobachten. Auch künstlerisch sprach ihn das Thema an.

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David Benforado: Ophelia, ©Detlef Baltrock

Und dann ergab sich auch noch die frappierende Erkenntnis: Die Ziegen ließen sich besonders gut durch die Klänge der orientalischen Ney-Flöte beruhigen, die David damals erlernte. Immer war er fasziniert von orientalischer Musik, und besonders diese Flöte hatte ihn begeistert. Beim Malen hörte er immer wieder dieselbe CD, bis er sich entschloss, als Belohnung nach einer weiteren, erfolgreichen Ausstellung, Ney-Unterricht zu nehmen. Das führte ihn auch zurück zu seinen Wurzeln in Thessaloniki, in die Zeit der Osmanen. Er reiste nach Istanbul, dann in Ross Dalys Musikwerkstatt „Lavyrinthos“ auf Kreta, und mit seinem türkischen Ney-Lehrer ist er bis heute freundschaftlich verbunden.

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Furni Island, ©Valentina Ungaro

Überhaupt stehen für David Malen und Musik in einem unmittelbarem Zusammenhang. „Das Ney-Spiel ruft bei mir abstrakte Bilder hervor“, erzählt er. „Das passt zur Auffassung vom figürlichen Bild im Islam und im Judentum. Moscheen und Synagogen sind sehr schlicht ausgestaltet, es gibt nur farbige, abstrakte Muster, aber keine weiteren Abbildungen. Das heißt, die Beziehung zwischen Gott und Mensch wird als abstrakt wahrgenommen, und das gefällt mir sehr.“

SEYIR HISAR
David Benforado: Seyir Hisar, ©Detlef Baltrock

Aus dem Wechselspiel von Malerei und Musik war auch seine Berliner Ausstellung an der Griechischen Kulturstiftung Berlin im vergangenen November hervorgegangen, die den Titel „Zwischen Klang und Stille“ trug. Dieser Titel wird auch bei seiner Ausstellung im Athener Jüdischen Museum beibehalten, die für den kommenden Herbst in Vorbereitung ist. Die Beschäftigung mit der orientalischen Musik führte ihn – und damit indirekt auch sein bildnerisches Werk – zum Judentum. Seine Familiengeschichte reicht über 500 Jahre in Thessaloniki zurück. „Damit fühle ich mich mittlerweile ziemlich griechisch“, meint er.

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Seine Vorfahren wurden nach dem Alhambra-Edikt der spanischen Könige Ferdinand II und Isabella I vor die Wahl gestellt: Entweder Exil oder Konversion zum Christentum. Darauf ließen sich viele in Nordafrika und im Osmanischen Reich nieder. Seine Familie war dann bis zum 2. Weltkrieg in Thessaloniki ansässig, doch die Archive sind heute zerstört und alle Spuren vernichtet, selbst der alte jüdische Friedhof wurde dem Erdboden gleichgemacht und bildet heute das Fundament der Universität von Thessaloniki. „Meine Eltern sprachen noch Ladino. Das war neben Türkisch, Französisch und Griechisch die vierte Sprache in dieser multinationalen Stadt.“

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Auch in Berlin ergab sich für David eine Kooperation mit dem Jüdischen Museum. Ab Herbst sind im „Kunstautomat“ Werke von ihm vertreten. „Das sieht aus wie ein luxuriöser Kaffeeautomat, aber dort kann man für nur 4 Euro ein kleines Kunstwerk erwerben. Man wirft das Geld ein, und per Zufallsgenerator wird das Werk eines der beteiligten Künstler ausgewählt. Die Idee finde ich toll!“

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©Detlef Baltrock

Darüber hinaus hat sich eine weitere, besondere Künstlergemeinschaft im Berliner Reuterkiez zusammengetan. Gemeinsam mit 13 weiteren Kreativen hat David einen Raum angemietet und renoviert. Das macht unabhängig von der gewinnorientierten Logik der Galerien. Dort können die Künstler – ohne Verkaufsdruck – Einblicke in ihre Arbeitsprozesse geben, andere Kulturschaffende einladen und generell zu ihren eigenen Bedingungen ausstellen. „Wir haben das Ganze HilbertRaum genannt – nach dem Mathematiker Hilbert, der sich mit all den unerwartbaren Möglichkeiten beschäftigte, die in einem Raum passieren können.“

Am Freitag, den 27. März erwartet uns dort zwischen 18 und 22 Uhr David Benforado mit neuen abstrakten Werken und ab 19.30 Uhr mit Performance-Beiträgen befreundeter Künstler.
HilbertRaum, Reuterstr. 31, 12047 Berlin, Dauer der Ausstellung: 27.03.2015 – 05.04.2015
Öffnungszeiten: Freitags 18-22 Uhr, Sa und So 14-20 Uhr

Text: Michaela Prinzinger. Fotos: David Benforado, Valentina Ungaro, Detlef Baltrock, Der Kunstautomat in der Dauerausstellung © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

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