Eine Party für die griechische Literatur!

Literatursymposium Syn_Energy Berlin_Athens 17. bis 21. Oktober 2018

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diablog.eu geht unter die Kulturveranstalter! 17.-21. Oktober 2018 findet das fünftägige griechisch-deutsche Literatursymposium Syn-Energy Berlin-Athens in Berlin statt. Entwickelt und umgesetzt wurde die Idee vom Literaturhaus Lettrétage und dem von diablog.eu gegründeten Verein Diablog Vision e. V. Die Autorin Pavlina Marvin befragte dessen Vorsitzende Michaela Prinzinger für das griechische Magazin chronosmag.eu zu diesem ersten Großprojekt und zu den weiteren Plänen.

Plakat, Person, die elektrischen Stecker einsteckt

Lassen Sie mich mit einer Feststellung in Form einer Frage beginnen. Viele, die Ihre Übersetzungen und Ihre systematische Arbeit für die Förderung des griechischen Buches und griechischer Autor*innen kennen, halten Sie für unsere „Botschafterin“ im deutschsprachigen Raum. Stimmen Sie zu, und warum oder warum nicht?

Der Begriff „Botschafterin“ im Sinne einer deutsch-griechischen Kulturdiplomatie gefällt mir ganz gut. Übersetzer*innen machen ja tagtäglich Kulturpolitik. Das heißt, sie bringen verschiedene Mentalitäten, Denk- und Ausdrucksweisen einander näher. Dafür muss man neugierig, aufmerksam und respektvoll sein. Andererseits möchte ich nicht weisungsgebunden wie ein tatsächlicher Karrierediplomat sein, sondern als Künstlerin vertrete ich immer nur mich selbst und keine hinter mir stehende Macht, Nation oder Institution. Ich bin eine heimatlose Botschafterin, deren Heimat in der Kunst und in der Literatur liegt. Literatur ist dann natürlich wieder an eine bestimmte Sprache gebunden, aber nicht an eine bestimmte Nationalität. Als Übersetzerin transzendiere ich diese eine Sprache in Richtung einer anderen, versetze sie in Bewegung und verwandle sie dadurch.

Darin gehe ich in der Tat ziemlich systematisch und konsequent vor. Alles was ich mache, ist nicht auf einen kurzfristigen Erfolg hin ausgerichtet, sondern auf den nachhaltigen Aufbau einer intellektuellen und kulturellen deutsch-griechischen Community, die auch gar nicht ortsgebunden ist.

Vom 17. Bis 21. Oktober 2018 findet in Berlin das fünftägige griechisch-deutsche Literatursymposium Syn_Energy Berlin_Athens statt, an dem 24 Autor*innen aus 5 Ländern teilnehmen. Wie haben Sie das alles auf die Beine gestellt?

Dass dieses umfangreiche Literatursymposium stattfinden kann, verdanke ich der Unterstützung des Berliner Literaturhauses Lettrétage, das mich, als erfahrener und starker Partner, von der Antragstellung während der Umsetzung bis zur letztendlichen Durchführung beratend begleitet hat. Ich wusste, dass ich so ein Event mit unserem 2017 gegründeten gemeinnützigen Verein Diablog Vision e. V., der aus der vorhergehenden mehrjährigen ehrenamtlichen Initiative des zweisprachigen Kulturportals diablog.eu, deutsch-griechische Begegnungen, hervorgegangen ist, nicht allein stemmen kann. Lettrétage fördert die freie Berliner Kunst- und Kulturszene durch Beratungstätigkeit und Weitergabe von Know-How und „Herrschaftswissen“, wie man Anträge stellt und an Fördergelder kommt. Dafür gebührt ihnen ein großer Salut!

Wir hatten dann das Glück, dank eines überzeugenden Konzepts, die großzügige Unterstützung des Hauptstadtkulturfonds und danach der Stavros-Niarchos-Stiftung zu gewinnen. Als künstlerische Leiterin wollte ich eine Autor*innenkonferenz mit lebendigen, spannenden Lesungen verknüpfen. Zum Auftakt wird es eine aufregende Literaturparty geben, zeitgleich auf zwei Bühnen mit Live-Jazz und Live-Animation. Dann folgen drei Tage der Einkehr und konzentrierten Arbeit mit insgesamt 6 Themenpanels, die deutsch- und griechischsprachige Schriftsteller*innen zu inhaltsreichen Diskussionen zusammenbringen sollen. Nichtsdestotrotz geht die Party an jedem Konferenztag abends weiter, wenn die Teilnehmer*innen noch einmal auf die Bühne treten und lesen, performen und erzählen. Zum Abschied folgt die Möglichkeit, mit den Teilnehmer*innen ein Sonntagsfrühstück einzunehmen, sich noch einmal auszutauschen, bevor sie abreisen, ein baldiges Wiedersehen zu vereinbaren und die begonnene Zusammenarbeit fortzusetzen!

Im Grunde ist dieses Symposium ein erstes Highlight, eine erste Manifestation all der Dinge, wie wir täglich auf unserem Kulturportal diablog.eu tun. Wir bauen Brücken und schaffen Verbindungen, wir bringen Ideen im Umlauf, wie sind der Think-Tank einer deutsch-griechischen Kulturpolitik, die nicht „von oben“ verordnet wird, sondern von unten gemacht wird, an der Basis. Es ist eine Graswurzel-Arbeit, das hat Aris Fioretos mal sehr schön ausgedrückt, als er uns im letzten Jahr zu unserem dreijährigen Jubiläum gratuliert hat: „Verständigung, auch zwischen Kulturen wie der griechischen und der deutschen, geht nur in kleinen, sorgsamen Schritten — in Höhe des Grases. Schönere Wiesen, aussichtsreichere Weiden zu begehen als die von diablog.eu gibt es kaum. Auf die kommenden Jahre!“

Plakat für Veranstaltung

Wie haben sie die Themen für das Symposium ausgewählt und wie die Autor*innen, die vorgestellt werden?

Was jetzt die Auswahl der Themen und Autor*innen betrifft, so ist das Konzept in einem monatelangen Prozess entstanden und basiert auf all unseren Erfahrungen aus den vergangenen Jahren. Was uns weniger interessierte, waren die sogenannten „großen“ Namen, die man angeblich immer braucht, um mediale Aufmerksamkeit zu erlangen. Statt dessen haben uns Menschen interessiert, die in ihrer literarischen Arbeit kollektiv und kooperativ denken, die sich ohne große finanzielle Interessen engagieren und denen an einem gemeinsamen Projekt gelegen ist, die also eine ähnliche Graswurzel-Arbeit betreiben wie diablog.eu. Wir wollten Künstler*innen ansprechen, die bereit sind, sich mehrere Tage lang aufeinander einzulassen. Dann sollte die Zahl von Männern und Frauen ausgewogen und alle deutsch- und griechischsprachigen Länder vertreten sein.

Und das wichtigste: Die Autor*innen sollten inhaltliche Berührungspunkte haben, sie sollten sich in ihrem Werk ähnlichen Fragenstellungen zuwenden. Ich habe oft genug den Spagat erlebt, dass man sehr unterschiedliche Autor*innen in einer Lesungsveranstaltung unter einen Hut bringen soll, oft mit mäßigem Erfolg. Hier war mein Ziel, dass sich die Panel-Teilnehmer tatsächlich etwas zu sagen haben, da sie thematisch, ideologisch, intellektuell, emotional oder „darstellerisch“, also performativ mit vergleichbaren und daher gemeinsam nachvollziehbaren und hinterfragbaren Kriterien arbeiten.

Die Themen, die uns für das „Casting“ der Panels interessiert haben, sind kulturhistorische wie der antike Mythos und welche Rolle er – neu interpretiert, ironisch gebrochen – heutzutage noch spielen kann, das Verhältnis von Rhythmus, Wort und Musik, das politische Statement, das Literatur beinhalten kann, die Kriterien von Geschlecht, Klassenzugehörigkeit und ethnischer Herkunft als Einflussfaktoren der Literaturproduktion, die Rolle von Autor*innen, die zugleich auch Übersetzer*innen und Brückenbauer*innen sind und der Einfluss des digitalen Zeitalters auf die Produktionsbedingungen von Autor*innen, auf Literaturverlage und Literaturzeitschriften.

Die Aufgabe, die sie im Vorfeld zu erfüllen hatten, war die Abfassung eines Essays zu ihrem jeweiligen thematischen Panel, das in beiden Sprachen zugänglich sein wird. Die Panel-Diskussion wird simultan gedolmetscht. Im Nachgang wird eine weitreichende Dokumentation der Tagung zur Verfügung stehen, mit Video- und Fotomaterial, mit Mitschnitten der Podiumsdiskussionen und Textmaterial aus den essayistischen und literarischen Texten der Teilnehmer*innen. Wir konnten die Grazer Literaturzeitschrift „Lichtungen“ als Medienpartner gewinnen, 2019 wird ein Band der griechischsprachigen Literatur gewidmet sein, der mit Beiträgen der Tagung bestückt sein wird.

Die klassische Erzählprosa ist diesmal weniger präsent, vielmehr lag der Fokus auf den mit kommerzieller Massenliteratur nicht so kompatiblen Genres wie experimentellerem Theater, Lyrik und Genregrenzen überschreitenden, interdisziplinären Projekten. Wir erwarten uns spannende Tage und regen Austausch von dieser griechisch-deutschen Begegnung! Und vor allem: ein nachhaltiges Interesse am Tun des Anderen, eine Initialzündung für Kooperationen und ein Ideenforum innerhalb einer engagierten Denkfabrik.

diablog.eu ist eine zweisprachige Plattform des deutsch-griechischen Dialogs, die seit 2014 besteht. Was hat sie dazu inspiriert? In welchem Stadium befindet sich jetzt Ihrer Meinung nach der Dialog?

Im Vergleich zu, sagen wir, dem Jahr 2013, als die Idee zum zweisprachigen Kulturportal diablog.eu in meinem Kopf reifte, sind wir heute schon wesentlich weiter! Nach dem medialen „Griechen- und Deutschen-Bashing“ hat sich, von der großen Öffentlichkeit weniger beachtet, ein Kulturdialog formiert, der Hoffnung auf die Zukunft macht. Und, was ich besonders berührend finde, es gibt immer mehr Menschen, die auf unsere Zeitspenden-Aufrufe positiv reagieren. Denn je mehr Zeit wir in Dinge investieren, die über den Online-Bereich hinausgehen, desto mehr ehrenamtliche Helfer brauchen wir für diablog.eu im Bereich Schreiben, Lektorat und Korrektorat, Übersetzung in beide Richtungen, Bildredaktion, Unterstützung in den Sozialen Medien. Interessierte können sich über unser Profil auf der Spendenplattform betterplace.org informieren und melden!

vier Personen im Park
Erfahrung und Jugend gepaart: M. Prinzinger, A. Tsingas, Z. Lachanidou und L. Troll

Glauben Sie, dass in Europa und folglich auch in Griechenland eine Intervention des Staates zugunsten des Buches notwendig ist? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie bzw. welchen Bedarf kann man auf diesem Gebiet Ihrer Erfahrung nach feststellen? Wie sind die Verhältnisse in Deutschland? Auf welche Art und Weise kann man Unterstützung von staatlichen Stellen erhalten?

Wir haben den gemeinnützigen Verein Diablog Vision e. V. genau deshalb gegründet, um öffentliche Gelder beantragen zu können. In Deutschland ist das die Voraussetzung, um über den Online-Bereich hinaus mit öffentlichen Veranstaltungen tätig zu werden. Der Online-Bereich wird öffentlich nicht gefördert, bildungspolitische und kulturelle Projekte, Lesereihen und Konferenzen jedoch schon. Mit der Aufbauarbeit von diablog.eu haben wir eine Gegenöffentlichkeit geschaffen zum Mainstream-Diskurs, was den deutsch-griechischen Kulturdialog betrifft. Darauf können wir aufbauen, auf über 600 inhaltsreichen Beiträgen, auf über 360.000 Besuchern unserer Website, auf über 5.000 Followern in den Sozialen Medien.

Was den Bereich Buch und Übersetzung betrifft, so fordere ich durchaus eine Unterstützung durch Staat und Steuerzahler für eine anspruchsvolle, nicht-kommerzielle Kulturproduktion ein, genauso wie es – im deutschsprachigen Raum zumindest – für die darstellenden Künste üblich ist wie Theater, Oper und klassischer Musik. Der Bestseller-Autor erhält öffentliche Unterstützung durch eine große Leserschaft. Die Autorin jedoch, die experimentell unsere Sprache und damit unser Sein auslotet, braucht die Möglichkeit, sich zu entfalten.

Seit Jahren plädiere ich für die Aktivierung einer effektiven Literaturübersetzungsförderung durch den griechischen Staat. Nur so kann ein dauerhafter Kulturtransfer gewährleistet werden. In Deutschland existiert mittlerweile, aufgrund des äußerst erfolgreichen Lobbyismus des Literaturübersetzerverbandes, eine sehr gut strukturierte Förderlandschaft. Das ist für Griechenland natürlich Zukunftsmusik. Ein erster Schritt wäre ein jährliches Subventionsprogramm für Literaturübersetzungen, das es immer wieder mal schon gab, das aber nie wirklich funktioniert hat. Dabei könnte man sich am Deutschen Übersetzerfonds orientieren und die Strukturen an die griechischen Gegebenheiten anpassen.

Was Diablog Vision e. V. betrifft, so konnten wir gleich nach Gründung öffentliche Förderung für ein literarisches Groß-Event wie SYN_ENERGY BERLIN_ATHENS gewinnen. 2018 kooperieren wir auch zum ersten Mal mit dem Programm der Robert-Bosch-Stiftung START-Create Cultural Change, indem wir als Gastinstitution eine Stipendiatin betreuen und begleiten. Für 2019 haben wir eine Lesereihe „Greek Writers@Berlin“ zur Förderung eingereicht und bereiten eine größere Weiterbildungsveranstaltung für Nachwuchsübersetzer*innen vor. Wir halten euch auf dem Laufenden, wenn ihr uns in den Sozialen Medien folgt oder unseren Newsletter abonniert!

Zum Abschluss wollte ich Ihre Meinung zu einer allgemeineren Frage hören. Glauben Sie, dass die Literatur heutzutage persönliche oder kollektive Bedürfnisse abdecken kann? Wie nehmen Sie die Rolle der Literatur in ihrem eigenen Leben wahr?

Bei dieser Frage muss ich an das Tagebuch der Anne Frank denken. Ich habe gerade begonnen, es ganz langsam, Kapitel für Kapitel, im Original, also auf Niederländisch, zu lesen. Vielleicht ist ein „Journal“ ohnehin die Ursprungsform der Literatur: persönliche Aufzeichnungen, die irgendwann den Weg zu einer „Objektivierung“ finden. Der Wunsch zu schreiben entsteht des Öfteren in der Pubertät, auf der Suche nach der eigenen Identität, nach der eigenen Rolle im Leben. Für Anne Frank ist es ihre, von ihr selbst geschaffene beste Freundin „Kitty“, der sie alles anvertrauen kann, und das Schreiben als Überlebensstrategie, Zeugnis über unaussprechliche Dinge abzulegen. Vielleicht ist das die wichtigste Rolle, die Literatur spielen kann in unserem Leben.

Interview: Pavlina Marvin/Michaela Prinzinger. Fotos: diablog.eu. Weitere Informationen zum Symposium unter www.syn-energy.lettretage.de!

17.-21. Oktober 2018, Berlin
Griechisch-deutsches Literatursymposium
und Lesungen

17.10.2018, 19-23 Uhr, Lange Lesenacht zur Eröffnung des Symposiums
Auf zwei Bühnen lesen und performen einen Abend lang über 20 Autor*innen aus Griechenland, Deutschland, Österreich, Zypern und der Schweiz, moderiert von Jan Wagner (Autor und Übersetzer) und Cornelia Jentzsch (Literaturkritikerin). Live-Musik des Jazz-Trios “Grix” feat. Achim Kaufmann und Live-Animation von Andreas Karaoulanis.
Heimathafen Neukölln
Karl-Marx-Str. 141, 12043 Berlin
Eintritt frei

18.-20.10.2018, täglich 10-17 Uhr, Literatursymposium
18.-20.10.2018, täglich 19 Uhr, Lesung und Gespräch
Lettrétage e. V.
Mehringdamm 61, 10961 Berlin
Eintritt frei

Teilnahme am Symposium: Um kostenlose Anmeldung bis zum 16.10.2018 wird gebeten unter syn-energy@lettretage.de

21.10.2018, 10-12 Uhr, Café/καφενείο
Meet&Greet mit den Autor*innen
Lettrétage e. V.
Mehringdamm 61, 10961 Berlin
Eintritt frei

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