Experiment: Comics auf der Bühne

Die Wiener Theatergruppe „Zur Sonne“ inszeniert Werke von Arkas

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Am 18. März 2018 feiert ein interessantes theatralisches Experiment in Wien Premiere: Werke des griechischen Comic-Künstlers Arkas werden vom Ensemble „Zur Sonne“ im Theater Brett, Münzwardeingasse 2, bis zum 25. März 2018 auf die Bühne gebracht. Wie genau, erzählen Regisseur Thodoros Limitsios und Komponist Periklis Liakakis.

Arkas Plakat Theater

Thodoros, wie bist du auf den Gedanken gekommen, Werke des Comic-Künstlers Arkas zum Thema eines Theaterstücks zu machen? Wie wollt ihr das konkret umsetzen?

Thodoros Limitsios: Comics waren von jeher eine Herausforderung für mich. Mein erstes Theaterstück als Laienschauspieler 1994 in Griechenland war eine Comic-Inszenierung. Ich kann mich noch sehr gut an meine vielen Fragen an den Regisseur erinnern, die sich mir bei der Umsetzung aufdrängten, so zum Beispiel: Wie lässt man eine Skizze lebendig werden, die an sich schon eine Übertreibung darstellt? Damals hatten wir es mit Skizzen zu tun, die nur Menschen abbilden. Bei Arkas sind auch Tiere dabei. Das ist eine noch größere Herausforderung. Als ich nach dem Ende unseres Stücks „Die Damen vom Hof“ über das nächste Theaterstück nachdachte, stieß ich zufällig auf ein Interview mit Dimitris Agoras, der die Comics von Arkas originell inszeniert und sie in einer Aufführung in Athen vorstellt hatte.

Sofort bat ich Dimitris darum, mir das Stück zum Lesen zu geben. Der Text gefiel mir auf Anhieb. Es war nichts Neues für mich, weil ich mehr oder weniger alle Comics von Arkas kannte, aber das, was Dimitris daraus gemacht hatte, war wirklich faszinierend. Das wird unser nächstes Theaterstück, sagte ich mir. Ich schloss die Augen und versuchte, alle Charaktere in meiner Fantasie auf die Bühne zu bringen. Mithilfe unserer Vorstellungskraft gelingt es uns, immer tiefer in die Welt von Arkas vorzudringen. Isovitis (=lebenslänglich Verurteilter) einer von Arkas` Helden, entflieht auf diese Weise aus der „harten Realität“ des Gefängisses (der Welt).

Arkas und sein humoristischer Blick auf den griechischen Alltag ist allen Griechen ein Begriff. Kann man das einem deutschsprachigen Publikum nahe bringen?

Thodoros Limitsios: Arkas` besonderer Humor entspringt der griechischen Realität, könnte man sagen. Wenn man seine Comics aufmerksam liest und etwas genauer hinschaut, dann kann man in den meisten seiner Comics viele Gemeinsamkeiten mit der sozialen Realität anderer Länder entdecken. Was die Übersetzung angeht, so würde ich behaupten, dass es viele Wortspiele gibt, die sehr schwer in eine andere Sprache zu übertragen sind, aber das gilt ja nicht nur für die Comics von Arkas, sondern auch für viele andere Texte. Ich glaube, dass Arkas zwar eine „besondere Behandlung“ braucht, aber durchaus ins Deutsche übersetzt werden kann. Man sollte aber jeden einzelnen Witz besonders sorgfältig betrachten und versuchen, einen  entsprechenden Ausdruck in der Muttersprache zu finden, der vielleicht nicht immer hundertprozentig dem Original entspricht, aber dem Zuschauer einen gelungenen Zugang zu Arkas‘ Humor gewährt.

Periklis Liakakis: Gereimte Dichtung und Komödien sind wohl am schwersten zu übersetzen. Hier haben wir es mit einem Comic zu tun, der sich nicht nur einer anderen Sprache bedient, sondern noch dazu auch eine unterschiedliche Lebenshaltung zeigt. Der griechische Humor ist völlig anders als der deutsche. Aus diesem Grund ist unser Versuch noch schwieriger. Da das Theater aber ein Konglomerat aus vielen Elementen ist (dem Text, der Schauspielkunst, der passenden Dramaturgie, der Musik, der Beleuchtung usw.) glaube ich, dass diese „Umsetzung“ sehr gut gelingen kann. Natürlich wird sich der Erfolg aber endgültig erst nach der Vorstellung am Applaus feststellen lassen…

Periklis, du lebst als Komponist „ernster“ Musik in Wien. Wie hat sich dieses Projekt mit der deutsch-griechischen Theatergruppe „Zur Sonne“ ergeben?

Periklis Liakakis: Ich kenne die Gruppe von Anfang an, als sie ihr erstes Stück, eine Hommage an den großen griechischen Dichter Jannis Ritsos, aufführte. Damals war sie eine Laienschauspielgruppe, die noch in den Kinderschuhen steckte, aber von Anfang an war ihre große Begeisterung für die Sache zu spüren. Damals beschloss ich, ihren Werdegang zu verfolgen. Zu meiner großen Freude stieg die Qualität ihrer Arbeit von Aufführung zu Aufführung. Die treibende Kraft der Gruppe und ihr Regisseur ist Thodoros Limitsios. Eines Tages sprach ich meine Bewunderung für seine Arbeit aus, und wir kamen miteinander ins Gespräch. Da ich Komponist bin und hauptsächlich für das Musiktheater arbeite, entstand die Idee zu einer Zusammenarbeit schon bei dieser ersten Begegnung fast von allein.

Du hast immer wieder mit Text und Ton gearbeitet, vor allem in zeitgenössischen Opern. Welche Art von Musik hältst du für die theatralische Umsetzung von Arkas-Geschichten für geeignet?

Periklis Liakakis: Zunächst einmal schaue ich bei einem Projekt, ob sich meine musikalischen Ideen auch finanziell realisieren lassen. Wenn genug Geld vorhanden ist, wähle ich fast immer Live-Musik. Wenn die finanziellen Mittel beschränkt sind, verwende ich als Alternative elektronische Klänge. Im vorliegenden Fall beschloss ich, elektronische Klänge zu verwenden, nicht nur, weil ich die Ausgaben niedrig halten wollte, sondern hauptsächlich, weil ich der Auffassung bin, dass zu artifiziellen Personen (Protagonisten aus Märchen oder Comics) artifizielle Musik am besten passt. Ich mag keine Live-Musik vom Band im Theater. Wenn ich solche Musik im Theater höre, dann habe ich immer den Eindruck, dass sie aus Versehen da hineingeraten ist und eigentlich ins Kino wollte. In unserem Stück hören Sie Klänge, die an Instrumente erinnern, aber keine sind… Sie hören beispielsweise einen Klang, der Sie an den Klang einer Geige erinnert, aber in Wirklichkeit gar keine Geige ist, oder einen Klang, der Sie an ein Klaviers erinnert, aber in Wirklichkeit gar kein Klavier ist. Das ist für mich musikalisch die passende Form, einen Comic auf der Bühne umzusetzen.

Theodoros, kannst du uns kurz über die Idee, Gründung und die bisherigen Produktionen eurer Theatergruppe erzählen? In welcher Sprache werden die Stücke gezeigt?

Thodoros Limitsios: 2001, kurz nachdem ich nach Wien gezogen war, kam mir die Idee, ein griechisch-österreichisches Theaterensemble zu gründen. Ich fand es schade, dass es in Österreich, wo das griechische Element spürbar vorhanden ist, noch kein griechisches Theater gab. Ein Jahr später begann unsere wunderbare Reise… zur Sonne, was uns zum Namen unserer Theatergruppe inspirierte. Mein Ziel war von Anfang an, die griechische Kultur in Österreich kreativ zu fördern. Das neugriechische Theater ist vielen Menschen hier noch unbekannt, ganz im Gegensatz zum antiken griechischen Drama. 2013 führten wir unser erstes Stück auf. Wir präsentierten Gedichte und ihre Vertonungen des großen griechischen Lyrikers Jannis Ritsos. Direkt danach, 2014, zeigten wir eine Musical-Hommage ans griechische Kino mit Szenen aus 13 griechischen Komödien, wieder mit Live-Musik und Gesang. 2015 inszenierten wir die Lysistrata von Aristophanes. Es war das erste Stück, das wir mit deutscher Übertitelung machten. „Der Hof der Wunder“ von Jakob Kambanellis kam 2016 mit Übertitelung auf die Bühne, und 2017 stellten wir die Kinofassung von Dimitris Jatzoutzakis vor: „Die Damen vom Hof“.

Wir danken für das Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg für eure Aufführungen!

Interview: Michaela Prinzinger/Thodoros Limitsios, Periklis Liakakis. Übersetzung: Nina Bungarten. Fotos: Periklis Liakakis.

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