Die Safransammlerinnen

Reiseartikel von Paschalis Tounas

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Safran – eines der teuersten und edelsten Gewürze – wird in Griechenland in der Umgebung von Kozani/Nordgriechenland angepflanzt und gewonnen. Paschalis Tounas erzählt von der Geschichte und den Chancen des Safrananbaus sowie den Hoffnungen, die man in Zeiten einer wirtschaftlichen Umstrukturierung daran knüpft. Bereits bei den Minoern fand man Abbildungen von Safransammlerinnen, in Nordgriechenland jedoch geht die Kultivierung der Pflanze auf die Handelsbeziehungen mit Österreich zurück.

Kurz nach Neujahr sitze ich in einem bekannten Café von Kozani und warte auf meine ehemaligen Kommilitonen Jannis und Katerina. Sie gehören zu den Menschen, die sich in der Wirtschaftskrise umorientiert haben. Inzwischen beschäftigen sie sich mit Anbau und Export von Duftpflanzen, insbesondere des heimischen Safrans von Kozani. In den letzten Jahren ist er mittlerweile zum Haupteinkommen vieler Familien hier in dieser Region geworden.

Das Café war für sein großes Angebot von Teesorten bekannt. Ich studierte seine Karte. Es gab wirklich eine Riesenauswahl, aber leider keinen mit Safran aus Kozani. Ich hatte über dessen wohltuende Eigenschaften gelesen und wollte nicht nur aus diesem Grund unbedingt etwas mit Safran trinken. Das hatte auch mit meiner Griechenlandreise zu tun.

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Im Duty Free Shop am Flughafen Berlin war ich einer Dame begegnet, die gezielt nach Safran suchte, den sie unter anderem auch Tee beimischte. Sie war österreichischer Herkunft und verheiratet mit einem Griechen. Ich ging davon aus, dass ihre Safrankenntnisse mit ihrem Mann zu tun hatten. Das erwies sich aber als falsch. Sie stammte aus einer kleinen Stadt im Wachautal in Niederösterreich, die schon seit 1200 für ihren Safrananbau (Crocus austriacus) bekannt war. Darüber hinaus ist die Region in ein Netzwerk zum Thema Safrananbau in Europa eingebunden, und zu den kooperierenden Trägern gehört auch die Genossenschaft für den roten Safran aus Kozani.

Wir tätigten die letzten Einkäufe im Duty Free Shop, die Dame den Safran und ich ein Päckchen Zigaretten für meinen Onkel Fanis, einen leidenschaftlichen Raucher und Tabakproduzenten, der mich in Thessaloniki abholen wollte.

Wir gingen an Bord. Nach einem zweistündigen Flug kamen wir in Thessaloniki an. Nachdem ich die Dame aus Österreich verabschiedet und ihr schöne Feiertage gewünscht hatte, ging ich weiter zum Ausgang, wo mich mein Onkel erwartete. Wir hatten noch ein Stück Weg vor uns. Unser Ziel war Aiani in der Nähe von Kozani, genauer gesagt das Dorf „Kalliouni”. Der französische Autor Pouqueville berichtete 1805, dass dort rund sechzig Familien lebten, die Safran anbauten und ihn nach Ungarn exportierten.

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Safran in Kozani, ©Paschalis Tounas

Nachdem ich Onkel Fanis mein Geschenk überreicht hatte, fuhren wir los. In den letzten Jahren war er zu meinem offiziellen Chauffeur geworden, wenn ich aus Berlin kam. Obwohl es eine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, ist die Reise mit dem Onkel ein unvergessliches Erlebnis. Wir unterhielten uns über die aktuelle Politik und das Leben in Griechenland und machten viele Stationen auf unserer Fahrt, die für mich eine Gelegenheit zum Fotografieren und für ihn zum unentbehrlichen Rauchen waren. So lange ich mich erinnern kann, hat er niemals im Auto geraucht. Jahrelang hatte er versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, es aber nie geschafft. Jetzt sagte er mir bei unserem ersten Halt, kurz vor den Mautkassen von Malgara, er habe vor einem Monat aufgehört und wolle nichts mehr sehen, was mit Tabak zu tun habe. Ich gestehe, dass das eine überraschende und erfreuliche Entwicklung war.

Sofort fragte ich ihn, was er nun mit dem Tabakanbau mache, da das ja seit Jahren seine einzige Einnahmequelle sei. Er berichtete mir, dass er schon mit der Pflichtgenossenschaft für den Safrananbau in Kozani Kontakt aufgenommen hätte. Wir stiegen wieder ins Auto und setzten unsere Unterhaltung rund um das „rote Gold“ und seinen Anbau fort. Es handelt sich im buchstäblichen Sinn um Gold, da Safran das teuerste Gewürz auf der Welt ist und sein Wert mit dem des Goldes wetteifert. Mittlerweile gibt es sehr viele Safranbauern in Kozani. Ein typischer Safranbauer kann vom Safrananbau innerhalb weniger Wochen 20-40 % seiner jährlichen Einnahmen bestreiten. Die aktive Pflichtgenossenschaft von Kozani hat es geschafft, den in- und ausländischen Markt für Safran in Kozani auf die Gebiete der Lebensmittel-, Farb- und Arzneimitteltechnologie zu erweitern.

Der Onkel fuhr fort, über seinen neuen, offenbar gewinnbringenden Anbau mit einer solchen Begeisterung und Intensität zu reden, dass unsere zweite Station schon bald in Sichtweite lag.

Wir hatten die riesigen Flächen mit Pfirsichen hinter uns gelassen, welche die in Amphitheaterform gebaute Stadt Veria umgaben und fuhren an den südöstlichen Hängen des Berges Vermio vorbei. Ein atemberaubender Blick auf den Fluss Aliakmon belohnte uns.

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Blick auf Aiani und den Fluss Aliakmon, ©Paschalis Tounas

Unseren nächsten Halt machten wir diesmal an einem Safranfeld von Krokos, dem traditionellen safranerzeugenden Dorf von Kozani, und der Onkel setzte seine Ausführungen über die viel versprechende Duftpflanze fort.

Er unterschied den gezüchteten Safran Kozanis vom einheimischen Safran der ägäischen Inseln, den es schon in prähistorischen Zeiten gab. Das bezeugten die Wandbilder mit den Safranpflückerinnen in Knossos und Akrotiri (Santorin). Der gezüchtete Safran in der Gegend von Kozani wurde im 17. Jahrhundert von Kaufleuten eingeführt, die enge Handelsbeziehungen zu Österreich unterhielten.

Als ich das Wort „Österreich“ hörte, dachte ich sofort an die Dame vom Berliner Flughafen und daran, dass die heutigen Beziehungen der Genossenschaft von Kozani mit ausländischen Genossenschaften für die Netzwerkbildung zum Thema Safran schon damals in Form von Handel begonnen hatte. Ich wollte gerade zum Auto zurück, da rief mich Onkel Fanis vom Feld aus zu sich.

Sein Vortrag hatte sich mittlerweile in eine „kreative Werkstatt“ verwandelt. In seiner Phantasie war es bereits Herbst, Regen und Nebel herrschten vor, die Oberfläche des Feldes war von violetten Blüten bedeckt und hob sich wie ein „violettes Meer“ vom Grau des Himmels ab. Auf diesem Meer segelte eine kleine Flotte von Frauen, die gebückt und in einer Reihe „im Takt“ die Blüten pflückten. Sie drehten sie mit drei Fingern, brachen sie dort, wo die Blätter ansetzten, und sammelten sie in ihren Schürzen oder Körben. Das ist eine anstrengende, hauptsächlich von Hand getätigte und aufwändige Arbeit. Ungefähr einen Monat lang wird jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gepflückt.

Safran auf einem Tisch zur Bearbeitung
Safran aus Kozani, ©Paschalis Tounas

Einige Meter weiter verwies ein Schild zur „Pflichtgenossenschaft für den Safrananbau Kozanis“ unzweifelhaft auf unserem nächsten Halt. Fast schien es so, als habe Onkel Fanis die Reise vorher geplant. Ein intensiver Geruch lag in der Luft, der zweifellos vom Safranal kam, dem Hauptaromastoff, der Safran so unverwechselbar riechen lässt. Er wurde immer intensiver, je näher wir dem Gebäude kamen, und lockte uns regelrecht an.

Onkel Fanis übernahm wieder die Rolle des Reiseführers an einem Ort, an dem er sich offensichtlich sehr gut auskannte. Nachdem er zuvor die Blütenernte auf dem Feld ausführlich geschildert hatte, berichtete er nun über die Weiterverarbeitung des Safrans. Die Frauen “wedeln” zuerst, d.h. sie legen eine dicke Schicht Blüten auf einen Tisch und fächern den Blüten Luft zu, so dass die violetten Blüten abfallen und nur die Stempelfäden übrig bleiben. Diese werden dann in Siebkästen gelegt und bei einer Temperatur von ungefähr 40 Grad Celsius getrocknet. Nach dem Sammeln und Trocknen der Blüten folgt die Auslese. Dabei werden die roten von den gelben Stempelfäden getrennt, damit zum Schluss der rote Safran, das Endprodukt, übrig bleibt.

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„Vorsicht Safran!”, ©Paschalis Tounas

Es handelt sich um eine außerordentlich mühevolle Arbeit, die aus Ernten, Sammeln und Auslesen besteht und von allen Safrananbauern in derselben Weise ausgeführt wird. Die Genossenschaft von Kozani wird in Kürze ihre Kenntnisse in Form einer „Erlebnis- Ausstellung“ an das neu errichtete Safranmuseum übergeben.

Wir kauften fertig abgepackten Safran und setzten unseren etwa noch 20-minütigen Weg fort. „Willkommen!“ Der deutsche Willkommensgruß von Katerina und Jannis unterbrach nur kurz unsere Unterhaltung, denn das Thema „Roter Safran“ und die Begeisterung über Anbau und Produktion des Safrans beherrschte auch das Treffen mit meinen früheren Kommilitonen. Erst wenige Stunden vorher hatten sie das kostbare Produkt der Genossenschaft übergeben, die sich von jetzt an um den Vertrieb auf dem in- und ausländischen Markt kümmern würde.

Text: Paschalis Tounas. Übersetzung: Nina Bungarten. Fotos: Paschalis Tounas.

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