Durch Übersetzen die Welt verändern

Angelika Jodl porträtiert die Teilnehmer*innen der 1. ViceVersa Deutsch-Griechischen Übersetzerwerkstatt

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Fortbildung für Übersetzer*innen: diablog.eu macht sich stark dafür! Zwischen 5. und 12. Mai 2019 wurde am Goethe Institut Thessaloniki die 1. ViceVersa Deutsch-Griechische Übersetzerwerkstatt organisiert. Lesen Sie auf diablog.eu, dem Medienpartner des Projekts, Porträts der 12 Übersetzer*innen und der Autor*innen Lucy Fricke und Dimosthenis Papamarkos, die mit dabei waren. Angelika Jodl hat alle bis auf sich selbst beschrieben, Thanassis Tsingas porträtiert im Gegenzug die Autorin und Übersetzerin. Geleitet wurde die Weiterbildung von Michaela Prinzinger und Theo Votsos, gefördert wurde sie von Toledo-Programm (Deutscher Übersetzerfonds und Robert Bosch Stiftung), Goethe Institut Thessaloniki, Litrix-Programm des Goethe Instituts und ÖSD Institut Griechenland. Den ausführlichen Werkstattbericht finden Sie auf www.michaela-prinzinger.eu. Auf bookpress.gr ist ebenfalls ein Interview von Elena Houzouri mit den beiden Werkstattleitern zum Thema Übersetzung, Weiterbildung und Kulturaustausch erschienen.

Geprägt vom deutsch-griechischen Verhältnis – Marina Agathangelidou

Ja, sie übersetzt Literatur, macht aber auch technische Übersetzungen. Parallel zum Übersetzen hat sie 2017 am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin promoviert und ist seither an der FU Berlin mit verschiedenen Forschungsaufträgen tätig.

Zum Verhältnis Deutschland-Griechenland? Auf politischer Ebene ist das, was sich seit dem Beginn der Finanzkrise zwischen den zwei Ländern abgespielt hat, sehr problematisch. Schließlich haben all diese Rettungspakete und die damit einhergehenden Sparmaßnahmen zu einer Vertiefung der Krise in Griechenland geführt. Und dann noch die Medien! Eine Zeit lang war in der Bild-Zeitung und in anderen deutschen Medien immer wieder die Rede von den „faulen Griechen“, was das Bewusstsein eines ziemlich großen Teils der deutschen Bevölkerung prägte. Dass in griechischen Zeitungen oft von deutschen Herrschaftsbestrebungen, sogar von einem „Vierten Reich“ die Rede war, muss man gerechterweise aber auch erwähnen.

Und persönlich: „Sehr wichtig. Es hat meine Biographie und meine Identität geprägt. Meine Eltern waren in den 1960- und 1970er Jahren Migranten in Deutschland, kehrten nach dem Sturz der Junta nach Griechenland zurück. Ich selbst bin in Athen geboren und aufgewachsen, habe aber mit meiner Familie zwei Jahren in Mannheim verbracht und eine bilinguale Schule besucht. Damals habe ich – siebenjährig – angefangen, Deutsch zu lernen. Die Beziehung zu Deutschland, zur deutschen Sprache war in unserer Familie immer präsent. Kein Wunder also, dass ich mich später entschieden habe, Übersetzerin zu werden und anschließend auch nach Berlin zu ziehen, wo ich seit 9 Jahren wohne.“

Frau Porträt
Marina Agathangelidou

Was die Krise in Griechenland bedeutet: „Für die Menschen meiner Generation vor allem Angst vor der Zukunft und Perspektivlosigkeit. Viele sind arbeitslos und daher finanziell von ihren Eltern abhängig, oder leben vom Arbeitslosengeld, viele zogen daher ins Ausland. Es gibt aber auch Menschen, die zurückblieben und sich dabei als sehr kreativ und widerstandsfähig inmitten der Krise erwiesen. Athen ist in den letzten Jahren zu einer sehr interessanten und lebendigen Stadt geworden, die Kunst- und Underground-Szene blüht dort, das finde ich toll.

In Berlin höre ich die ganze Zeit um mich herum Griechisch, die griechische Community hier ist seit der Krise enorm gewachsen. Wobei auch wir, die im Ausland leben, es nicht einfach haben und ständig dafür kämpfen müssen, gleiche Chancen zu bekommen und nicht nur immer auf unser Herkunftsland, mit dem gerade eine Menge stereotypische Zuschreibungen verbunden ist, zurückgeführt zu werden.“

Marina, was wünscht du dir? „Ich bin für offene, plurale Gesellschaften, und wünsche, dass die rechtsradikalen Parteien in den kommenden Europa-Wahlen eine Niederlage erleiden.“ (Das Interview wurde eine Woche vor den Wahlen am 26. Mai 2019 gegeben)

Für den Workshop hat sie einen Auszug aus Terézia Móras Erzählung „Die Sanduhr“ übersetzt, erschienen im Erzählband „Seltsame Materie“ bei Rowohlt.

Wünscht sich mehr Verständnis füreinander – Ina Berger

Vom Übersetzen leben? Ja, seit etwa 2 ½ Jahren lebt sie ausschließlich vom Übersetzen. Vor allem aus dem Französischen ins Deutsche und hin und wieder auch aus dem Griechischen. Zwar hat sie Literaturübersetzen studiert, übersetzt aber aktuell ganz verschiedene Arten von Texten.

Zum Verhältnis Deutschland – Griechenland: Das wird in letzter Zeit seltener öffentlich beleuchtet und diskutiert, aber die sogenannte Griechenlandkrise und die Art, wie in den Medien beider Länder berichtet wurde, hat wohl leider bleibende Schäden hinterlassen. Jedenfalls was die Wahrnehmung der Leute betrifft, die wenig Kontakt zum jeweils anderen Land haben. Zum Glück können die Menschen das Politische bei persönlichen Begegnungen dann meistens doch ausblenden und unterscheiden.

Frau in Bibliothek am Tisch mit Buch
Ina Berger

Zur Krise in Griechenland: „In den letzten Jahren merke ich, dass sich einiges gebessert hat, wenn auch nur langsam. Menschen mit niedrigen Renten und Einkommen, die besonders unter der Krise gelitten haben, bekommen jetzt mehr Unterstützung, aber die Löhne sind weiter niedrig und die Steuern hoch. Ich glaube, in Deutschland hätte es einen riesigen Aufschrei gegeben, wenn Gehalts- und Rentenkürzungen in solchem Ausmaß vorgenommen worden wären wie in Griechenland. Dass das vielen Deutschen nicht klar zu sein scheint und viele trotzdem abfällig und verallgemeinernd über „die Griechen“ gesprochen haben, hat mich immer sehr wütend gemacht.“

Ina, was wünschst du dir? „Für mich persönlich, dass ich auch in Zukunft das Glück habe, interessante und spannende Texte übersetzen zu können. Allgemein hoffe ich, dass deutsche Leser durch mehr Übersetzungen aus dem Griechischen die Gelegenheit bekommen, auch zeitgenössische griechische Autoren und Literatur kennenzulernen. Denn Literatur trägt ganz sicher auch zum gegenseitigen Verständnis bei.“

Für den Workshop hat Ina eine von drei Novellen aus Christina Plainis Debüt-Veröffentlichung „Take the A-Train“ vorgelegt.

Die Muttersprachlerin – Marianna Chalari

Marianna hat Deutsch von ihrer Mutter gelernt, einer Deutschen, die mit zwanzig nach Griechenland kam, sich verliebte und für immer blieb. Dass Tochter Marianna die deutsche Schule in Athen besuchen würde, war klar.

Ja, sie übersetzt professionell (auch große Texte wie den Roman „April in Stein“ von Robert Streibel); aber nein, davon leben könnte sie nicht. Das Geld für die dreiköpfige Familie verdient hauptsächlich ihr Mann als Koch.

Deutsch-griechische Beziehungen und die Krise: Momentan sieht es zwischen Griechenland und Deutschland wieder besser aus. Aber vor einiger Zeit noch war das wie ein Kalter Krieg. Das hat sie geschmerzt – wie soll sie mit ihrer doppelten Abstammung denn die beiden Kulturen trennen?

Frau auf grünem Sitz mit Buch
Marianna Chalari

Marianna, was wünschst du dir? „Glück und Gesundheit. Und mit Glück meint sie etwas, wofür die Griechen zwei Worte haben: τύχη (im Sinne von «nochmal Glück gehabt») und ευτυχία (Glückseligkeit).“

Für den Workshop hat sie drei kurze, sprachlich überaus anspruchsvolle  Geschichten von Robert Walser übersetzt: „Geschwister Tanner“, „Der Dichter“ und „Das Zimmerstück“, alle erschienen in der Gesamtausgabe vom Suhrkamp Verlag.

Bestsellerautorin mit Bodenhaftung – Lucy Fricke

Lucy Fricke, aus deren Bestseller „Töchter“ zwei Teilnehmerinnen einen Abschnitt ins Griechische übersetzt haben, besucht unseren Workshop und beantwortet Fragen:

  • Wie ist das deutsche Wort „Glück“ in ihrem Text aufzufassen, für die Griechen steht da nämlich zwei zur Auswahl (ähnlich den englischen Begriffen „luck“ und „happiness“).
  • Was ist gemeint mit „ohne Job im Rücken“ – ohne Druck oder ohne Rückhalt?
  • Wie autobiographisch ist dieser Roman zu verstehen?
  • Und plottet sie ausführlich oder schreibt sie erst mal drauf los?

Ausführlich geht sie auf alle Fragen ein, ohne viel Wind um sich zu verbreiten. Darüber, dass die Drehbuchautorin, die für die Filmfassung herangezogen wird, ein Dreiaktmodell im Buch entdeckt hat, das die Autorin selbst nie vor Augen hatte, muss sie herzlich lachen.

Man duzt sich, geht zusammen zum Rauchen raus – Lucys neuestes Buch ist Riesenerfolg geworden, sie selbst auf dem Teppich geblieben.

drei sitzende Frauen im Gespräch
Lucy Fricke mit Elena Pallantza

Wovon sie lebt? Jetzt tatsächlich vom belletristischen Schreiben. Früher hat sie für Zeitungen gearbeitet, Literaturfestivals veranstaltet.

Ihre Beziehungen zu Griechenland? 2015 ist sie zum ersten Mal nach Griechenland gereist, manche ihrer Freunde attestierten ihr Mut, da doch die griechische Krise schon recht weit gediehen war. Und sie hat sich sofort in dieses Land verliebt. In die Gelassenheit der Menschen, besonders auf den Inseln.

Wie erlebt sie das Verhältnis Deutschland – Griechenland? „Die Deutschen mögen Griechenland, das Land, die Leute. Bei deutschen Politikern sieht das anders aus.“

Lucy, was wünschst du dir? „Die Zeit anhalten. So wie es jetzt ist, ist es perfekt.“

Aus Liebe zur Sprache – Angelika Jodl

Angelika ist schon einige Jahre auf dieser Welt, im Grunde genommen aber ein Teenie: begeisterungsfähig, empathisch und neugierig, fröhlich laut (und manchmal vorlaut), mit einem mitreißenden Lachen. Mit ihr an der Seite lässt sich jede sprachliche Untiefe meistern, weil sie nicht nur den Begriff zum Problem kennt, sondern immer auch Beispiele – natürlich in mehreren Sprachen. Abgesehen von einem halben Dutzend europäischer kann sie sich auch auf Türkisch, Russisch, Japanisch und demnächst auch auf Georgisch verständigen. Im Übersetzerseminar war sie durch ihre Wärme und Hilfsbereitschaft Glücksfall und Glücksbringer in einem – unser „Maskottchen“ nannten die Jüngeren sie – und als Übersetzerin sicher kein Etikettenschwindel, wie sie selbst behauptet.

Vom Übersetzen leben? „Um Gottes Willen, da gibt es berufenere Leute! Momentan arbeite ich an einem Romanprojekt, dessen Heldin pontosgriechische Wurzeln hat. Dazu habe ich im Vorfeld viel gelesen; an einer Geschichtensammlung bin ich besonders hängen geblieben, weil sich darin eine zärtliche Stimmung fand, die ich gern auch für den Roman hätte. Ich dachte, dass sich das beim Übersetzen vielleicht überträgt. In dem Workshop saß ich also eigentlich als Etikettenschwindel.“

Wie kam’s zum Griechischlernen? „Meine Beziehungen zu Griechenland begannen in recht jungen Jahren in einer Porzellanfabrik, wo ich mich mit der furchtbar netten Griechin neben mir am Band nicht unterhalten konnte, weil sie kein Deutsch sprach. Damals habe ich mir eine griechische Grammatik gekauft (ich war in unserer Kleinstadt bestimmt die erste, die bei dem Buchhändler so etwas bestellte), und Chrysoulas Familie hat mich sozusagen adoptiert. Nach der Schule bin ich zu ihr in die Gastarbeitersiedlung gegangen, wir haben zusammen gekocht, gegessen, ich habe die Kinder gehütet und da meine Hausaufgaben gemacht. Ein Jahr, nachdem die Familie zurück nach Griechenland gegangen ist, habe ich sie dort besucht – in einem kleinen Dorf in Makedonien. Damals habe ich erst mitbekommen, dass in Griechenland nicht nur Griechisch gesprochen wird, meine Freunde waren nämlich Pontosgriechen.“

zwei Frauen mit Buch
Angelika Jodl und Sonia Prokopidou

Wie steht’s zwischen Griechen und Deutschen? „Die Krise in Griechenland habe ich in Deutschland vor dem Fernseher miterlebt. Die Kälte, mit der von der jähen Verarmung des griechischen Mittelstands – also Leuten wie mir: Lehrern, Ingenieuren, Juristen – und von den vielen Selbstmorden berichtet und gleichzeitig „den Griechen“ die Schuld daran zugesprochen wurde, hat mich fertig gemacht. „Die Griechen“ – wer unterscheidet bei diesem Wort denn noch zwischen Staatsapparat und Volk? Zwischen einer Familie Onassis und der meiner Freundin? Es war ja klar, dass daraufhin sofort jeder Depp in Deutschland wusste, dass „die Griechen“ zu viel Souvlaki essen und ihr Leben mit Sirtaki verträllern und deshalb jetzt klarerweise die Rechnung zahlen müssten. Der Höhepunkt an Dummheit war erreicht, als mich deutsche Freunde damals vor einer Griechenlandreise warnen wollten, weil „die Griechen“ doch jetzt sicher einen Hass auf „die Deutschen“ hätten. Als ob man in Griechenland nicht zu unterscheiden wüsste zwischen dem deutschen Finanzminister und einer Touristin mit ihrem Koffer!“

Angelika, was wünschst du dir? „Auf keinen Fall ein ewiges Leben, irgendwann muss es ja auch mal rum sein. Aber zwei parallele Leben hätte ich gern. Dann würde ich das eine in München mit meiner Familie und unseren vielen Tieren führen und das andere in Griechenland. Am besten in Thessaloniki – die Stadt mag ich furchtbar gern.“

Für den Workshop hat sie die Erzählung „Ο μικρός Στάλιν“ (Der kleine Stalin) aus der Erzählungensammlung „Μια βαλίτσα μαύρο χαβιάρι“ (Εin Koffer voller Kaviar) von Sofia Prokopidou übersetzt, erschienen im Verlagshaus Kyriakidis, Thessaloniki.

Übersetzerkoryphäe und Rockmusiker – Iannis Kalifatidis

Er gehört zum Spitzenkreis unter Griechenlands Übersetzern, hat den Staatlichen Übersetzerpreis für Literatur gewonnen sowie den Preis für deutschsprachige Literaturübersetzung vom Goethe-Institut Athen. Auf der Liste seiner Übersetzungen aus dem Deutschen stehen (neben vielen anderen) die Namen W.G. Sebald, Jean Améry, Friedrich Glauser, Stefan Zweig.

Kann er davon leben? Wenn er nebenher noch lektoriert und korrigiert sowie Über- und Untertitelung von Theaterstücken und Filmen dazu nimmt und viele andere Texte übersetzt, die ihm persönlich wenig bedeuten – Ja. Mit einem 18-20 Stunden-Tag. Weil das Leben von Übersetzern (und vielen anderen Berufen) im heutigen Griechenland so aussieht: Von 10 verdienten Euro wandern 6,5-7 in Form von Steuern und Abgaben sofort an den Staat. Wer 10 € braucht, muss also einen Umsatz von 30 € machen, damit die Rechnung aufgeht. Tatsächlich geht sie so auf: Die Menschen arbeiten, verdienen Geld, zahlen ihre Abgaben und haben dann so wenig übrig, dass sie sich verschulden müssen. Wie man in der Situation noch Versicherungen bezahlen soll, kann man sich ja ausrechnen.

Mann mit Buch vor grüner Wand
Iannis Kalifatidis

Wie hat er die Krise erlebt? Zum Beispiel so, als er eine deutsche Filmemacherin, die einen Film zur Krise drehen wollte, durch das winterliche Athen begleitete. Ein griechischer Künstler sollte in seiner Wohnung aufgesucht werden; Iannis hatte vorgewarnt: Bitte, keine großen Erwartungen da, dem Mann geht’s finanziell nicht gut. Tatsächlich ist die Wohnung unbeheizt, die Filmemacherin fröstelt, reibt sich die Schultern, schüttelt den Kopf: „Warum heizt der nicht?“ Draußen auf der Straße sieht sie in den Cafés Leute sitzen. „Immerhin – die Leute gehen aus, trinken Kaffee, so schlimm kann´s wohl nicht sein.“ Iannis: „Hat sie gar nicht gesehen, dass da drei Leute um eine kleine Tasse hocken? Dass man in Griechenland einen ganzen Tag im Café bleiben kann, auch wenn man nur ein Glas Wasser trinkt? Was sollen die Menschen machen – ihre Häuser nie mehr verlassen? Kann man nicht mal ein bisschen Empathie …?“ Er bricht ab, sagt nichts weiter.

Iannis, was wünschst du dir? Die Antwort erfolgt so spontan wie präzise: „Eine E-Gitarre, Fender Jaguar, Baujahr 1965, in der Farbe Olympic White.“

Für den Workshop hat er den Anfang seiner Übersetzung aus Erich Maria Remarques „Der schwarze Obelisk“ vorgelegt.

Die Vielseitige – Vassiliki Katsanikou

Nein, sie lebt nicht vom Übersetzen, sondern unterrichtet die beiden Sprachen – Deutsch und Griechisch, aber sie liebt es, zu übersetzen. Weil Sprache so viel für sie bedeutet: mal eine Spielerei, ein Zeitvertreib, mal die Horizonterweiterung und ein Mittel zur geistigen Expansion.

Griechenland und Deutschland – das sind viele Widersprüche, das sind langwährende historische Beziehungen, das sind interkulturelle Brücken für sie. Sie kennt sich aus in Athen, München, Berlin, aber Vassilikis Lebensmittelpunkt liegt in Thessaloniki.

sitzende Frau mit grünem Buch
Vassiliki Katsanikou

Wie sie die Krise erlebt – na ja, was soll man sagen? Das Leben ist stressiger geworden, man muss sich ranhalten. Sie ist auf vielen Feldern unterwegs: lektoriert, korrigiert, unterrichtet.

Vassiliki, was wünschst du dir? „Inspiration. Eingebungen!“

Für den Workshop hat Vassiliki wie auch Christina Papantoni einen Ausschnitt aus Lucy Frickes jüngstem Erfolgsroman „Töchter“ übersetzt. Die beiden Übersetzungen lagen unabhängig voneinander vor.

Griechisch-deutsches Nesthäkchen – Käthe (Katerina) Antonia Kutz

Käte ist Hamburgerin, klein, blond, und wenn sie spricht, wird alles an ihr griechisch – das Gesicht, die Hände, sogar die Füße reden so, wie sie es bei Griechen tun. Etwa fünf Jahre hat sie sich in Griechenland herumgetrieben, vor allem in Athen und auf Samothraki, je die (kalte) Hälfte des Jahres aber in Hamburg verbracht, wo sie in einem Café jobbte, um sich das Geld für den nächsten Sommer zu verdienen. Inzwischen studiert sie im 4. Semester Neogräzistik und Byzantinistik in Hamburg und hat das große Glück, ihr Studium im Rahmen eines Erasmus-Programms für zwei Semester in Thessaloniki fortzusetzen.

Nein, vom Übersetzen lebt sie nicht, es könnte aber eine Option werden, besonders, da sie von Kindheit an eine Leidenschaft für Sprache hat und sich schon zu Kindergartenzeiten (so lange scheint das noch gar nicht her zu sein) nach der Etymologie von herrlich und dämlich gefragt hat – am Ende stammen diese beiden Wörter tatsächlich von Herr und Dame ab? Käthe ist Lebenskünstlerin, man muss sie gesehen haben, wie sie auf ihrem Fahrrad durch die Gassen und Boulevards von Thessaloniki zischt.

lachende Frau vor Baum mit Buch
Käthe Antonia Kutz

Das Verhältnis Deutschland – Griechenland? Ach, die Deutschen, wenn sie über Griechenland herziehen, die sind ja bloß neidisch!

Käthe, was wünschst du dir? Mehr Toleranz für die andersartige Realität der Kulturen und Frieden auf der Welt.

Für den Workshop hat sie die komplette Geschichte „Αυτοκόλλητο“ (Der Aufkleber) von Jannis Palavos übersetzt, erschienen in der Erzählungensammlung „Αστείο“ (Scherz) im Nefeli-Verlag.

Philologin, Dichterin, Übersetzerin – Elena Pallantza

Vom Übersetzen leben? Ja, sie verdient Geld mit Übersetzen, davon leben könnte sie aber nicht. Elena ist promovierte Philologin und unterrichtet Neugriechische Sprache und Literatur an der Universität Bonn. Außerdem ist sie in der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz tätig (Zuständigkeitsbereiche Griechenland und Zypern).

Deutsch hat Elena auf der Deutschen Schule in Athen gelernt, sie lebt seit langem in Deutschland und übersetzt griechische und deutsche Texte in beide Richtungen. An der Bonner Universität hat sie die Gruppe LEXIS ins Leben gerufen, die sich besonders um die Übertragung von griechischer Lyrik und poetischer Prosa bemüht.

Was Sprache für sie ist: „Der Mensch ist Sprache. Verändern wir unsere Sprache, verändern wir uns selbst.“

Frau mit Buch vor grüner Wand
Elena Pallantza

Deutschland und Griechenland: „Zwei extrem verschiedene Kulturkreise, auf eine besondere, kulturhistorische Weise aber auch miteinander verwandt. Ein Komplex mit vielen Komplexen, eine Herausforderung.“

Elena, was wünschst du dir? „Dass fruchtlose Stereotypen überwunden werden: in der Sprache und in der gegenseitigen Wahrnehmung.“

Für den Workshop hat sie Gedichte der preisgekrönten griechischen Dichterin Danae Sioziou übersetzt, entnommen dem Band „Χρήσιμα παιδικά παιχνίδια“ (Nützliche Kinderspiele), Antipodes Verlag, Athen, soeben auf Deutsch im Kölner Verlag parasitenpresse erschienen.

Übersetzt Lucy Fricke – Christina Papantoni

Ja, sie lebt vom Übersetzen. Ihre Vorlagen sind hauptsächlich offizielle Papiere der EU, aber auch Untertitelung von Filmen – besonders zu Film-Festivals – sind gefragt. Je nach Auftragslage und Abgabeterminen umfasst ihr Arbeitstag 7-10 Stunden. 2005 hat sie ihr Studium an der Ionischen Universität auf Korfu (Abteilung Fremdsprachen, Übersetzung und Dolmetschen) abgeschlossen. Es folgte ein Semester in Saarbrücken, ein Praktikum in der Griechischen Abteilung des Europaparlaments in Luxemburg und noch ein Grundstudium in Germanistik an der Aristoteles Universität in Thessaloniki. Mit dem Master an der Ionischen Universität hat sie 2010 abgeschlossen.

Was mag sie an Deutschland? Die Kultur, die Sprache, die Städte, insbesondere Leipzig und Berlin. Fasziniert ist sie auch von der Geschichte der Wende und den deutschen Film liebt sie ganz besonders.

Frau vor Bibliothek mit grünem Buch
Christina Papantoniou

Wie erlebt sie die Krise? Ja, mein Gott, das Einkommen ist jetzt halt sehr begrenzt, wer würde sich darüber schon freuen? Aber richtig ärgert sie sich vor allem darüber, dass es jetzt immerzu andere sind – Leute mit Geld und Macht –, die über ihr Leben bestimmen.

Christina, was wünschst du dir? „Mehr Freizeit und Freiheit!“

Für den Workshop hat Christina wie auch Vassiliki Katsanikou einen Ausschnitt aus Lucy Frickes jüngstem Erfolgsroman „Töchter“ übersetzt. Die beiden Übersetzungen lagen unabhängig voneinander vor.

Bestsellerautor mit Anspruch: Dimosthenis Papamarkos

Der studierte Althistoriker und Altphilologe schreibt nicht nur gute Literatur, er arbeitet auch als Script-Berater für die führende griechische Filmproduktions-Firma „Faliro House“, die in den letzten Jahren mit der Produktion weltweit erfolgreicher griechischer Arthouse-Filme für Furore gesorgt hat. Großvater und Vater hatten ihm von den Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Türken in Kleinasien erzählt und nach einer Reise in diese Gegend erwuchs in ihm die Lust, Geschichten zu schreiben. Darüber, wie nah das Böse uns allen ist.

Ein paar Erzählungen von ihm waren schon veröffentlicht, da erlebte er 2014 mit „Gjak“ einen Durchbruch. Acht Erzählungen und ein Gleichnis über den griechisch-türkischen Krieg 1919-1922. Der schmale Band ging regelrecht durch die Decke und bescherte dem kleinen Verlag „Antipodes“ einen tollen Anfangserfolg: Hohe Auflagenzahlen, ein Theaterstück, Übersetzungen in mehrere Sprachen, jetzt auch ins Deutsche. „Gjak“ bedeutet im Arvanitischem Blut, Blutsverwandtschaft, aber auch Ehrenmord.

Über diesen griechisch-türkischen Krieg ist in Griechenland schon viel geschrieben worden, allerdings immer so, dass die griechische heroisiert und die andere Seite verteufelt wurde. Dass auch von Griechen Unrecht ausging, war lange ein Tabu, erst unter der sozialistischen Regierung der PASOK in den 1980er Jahren hatte man die Geschichtsbücher für den Schulunterricht der Realität angepasst.

Und nun schreibt ein junger Autor über eine alte Geschichte und entzaubert allerlei dumpf-nationale Mythen. Papamarkos thematisiert Greueltaten der Griechen sowie in einer Erzählung auch die durchgängig verschwiegene Homosexualität unter den Soldaten – und das Ganze avanciert zum Verkaufsschlager, wie geht das?

Mann am Tisch mit zwei Frauen
Dimosthenis Papamarkos

Dimosthenis Papamarkos ist in Malessina/Lokris (Mittelgriechenland) aufgewachsen, wo viele Arvaniten leben, Abkömmlinge von berittenen Schäfern, die schon in der Antike nach Griechenland einwanderten, sich später christianisierten und bald einen gewissen Ruf als Krieger gewannen. In allen Epochen waren sie an der Front (auch die berühmten griechischen Freiheitskämpfer Kolokotronis und Bubulina entstammten arvanitischen Familien). Papamarkos hat viel mit den Nachfahren dieser Menschen gesprochen, die schonungslose Darstellung jener Zeit, die ihren Niederschlag im gesprochenen Neugriechisch, durchsetzt mit arvanitischen Einsprengseln, findet, macht einen großen Reiz dieses Buches aus.

Wie er die Krise erlebt hat: Damals hat er in England gelebt, war also nicht direkt betroffen. Bedrückt hat ihn allerdings, dass er ständig etwas rechtfertigen sollte, zu dessen Hintergrund er selbst wenig wusste. Die Griechen im Mutterland waren sich wohl im Klaren über die auch hausgemachten Ursachen der Krise – im Ausland immer wieder zu hören, man sei selbst daran schuld, ist etwas anderes. Wie soll man überhaupt selbstkritisch Stellung nehmen zu einem Thema, wenn es bei jedem Kneipengang heißt: „Faule Griechen! Selber schuld!“

Dimosthenes, was wünschst du dir? „Ach, eigentlich nur, nicht allzu früh zu sterben. Ich würde gern noch ein bisschen älter werden.“

Übersetzerin mit Leidenschaft und Umsicht – Michaela Prinzinger

Ja, sie lebt vom literarischen Übersetzen, übersetzt für den Diogenes Verlag Petros Markaris, das will einiges heißen, denn dieser Autor ist berühmt, beliebt in Deutschland und produktiv noch dazu. Aber auch Michaela braucht noch ein zweites Standbein, dolmetscht oder übersetzt Sachtexte.

Und sie hat den diablog.eu gegründet, ein zweisprachiges Kulturportal, in dem vor allem auch die Kulturvermittler sichtbar werden sollen. Das hat sich Michaela sehr bewusst zum Anliegen gemacht, weil „man als Übersetzer ja eher schüchtern ist, sich gern in den Schatten des Autors stellt.“ Andererseits ist es ja nicht so, dass sich deren Texte von selbst übersetzen. 2014 ist dieses Portal entstanden, aus einer persönlichen Lebenskrise sollte es herausführen und Türen öffnen zu einem zeitgenössischen Griechenlandbild, nicht romantisierend, ohne Verklärung, ohne Projektion.

Wie erlebt sie die Krise? Na ja, der Schritt heraus aus einer privaten Krise hat ja gleich hinein geführt in eine gesellschaftliche, denn gerade damals begann das, was alle hier in Griechenland nur „i krisi“ (die Krise) nennen. Natürlich hat sie eine sehr nahe Sicht auf die Krise, für den diablog aber beschlossen, ihrem persönlichen Motto zu folgen, das lautet: Nicht solchen Fragen wie „Schaffst du das?“ oder „Warum machst du das nicht auf Englisch?“ folgen. Sondern nur ihrem Gefühl zur Sache. Eben das wünscht sie sich auch für Griechenland. Ach ja, und etwas mehr Nachhaltigkeit wäre toll.

Frau mit Buch in blauem Sessel
Michaela Prinzinger

Die deutsch-griechischen Beziehungen betrachtet sie als Profi ausschließlich unter dem kulturellen Aspekt. Im diablog soll der politische Alltag, welchen Konjunkturen er immer gerade folgt, nicht auch noch das Klima bestimmen.

Michaela, was wünschst du dir? Sich selbst zu gestatten, glücklich zu sein. Und das richtige Maß finden in allem was man tut – und was man nicht tut.

Michaela Prinzinger hat den Workshop zusammen mit Theo Votsos organisiert, moderiert, war stets zur Stelle, wenn jemand Übersetzungs- oder Dolmetschhilfe brauchte, und vom morgendlichen Erstschwätzchen am Frühstücksbüffet bis zur offiziellen Begrüßung von Konsulen und Institutsdirektoren wäre diese wunderbare Woche ohne sie auf keinen Fall denkbar gewesen. Sie war es, die immer wieder auf die Tools hingewiesen hat, die eine Übersetzung braucht, auf die Notwendigkeit von Recherche noch jenseits aller Wörterbücher.

Übersetzt Kochbücher – Verena Schätzler

So kann man auch zum Übersetzen kommen: Eigentlich studiert Verena nämlich Literaturwissenschaften. Dass in ihrer anstehenden Doktorarbeit das Städtekonzept von Petros Markaris Thema ist, hat ihr Interesse am Neugriechischen erweckt. Als leidenschaftliche Köchin hat sie sich erst mal in griechische Kochbücher versenkt, ein paar davon – für sich – übersetzt und sich gleich darauf um einen Platz im Workshop ViceVersa beworben. Mit Erfolg. Die Früchte ihrer Arbeit sind zwei bevorstehende Semester in Athen, natürlich mit Sprachkurs – Gratulation!

Verena zur Krise: Was ihr überall ins Auge fällt, sind die unzählbar gewordenen Schilder vor griechischen Häusern, Wohnungen, Grundstücken, Feldern mit der Aufschrift zu verkaufen. Gibt es in Griechenland überhaupt noch Plätze, wo ganz normale Griechen wohnen?

sitzende Frau mit Buch
Verena Schätzler

Verena, was wünschst du dir? Die Antwort kommt sofort und entschlossen: „Hier bleiben!“

Für den Workshop hat sie einen Auszug aus Giannis Palavos’ Geschichte „Λένα“ (Lena) übersetzt. Erschienen in der Erzählungensammlung „Αστείο“ (Scherz) im Nefeli-Verlag, Athen.

Die Kleinunternehmerin – Marianna Tsatsou

Ja, sie lebt vom Übersetzen, hat – klein und taff, wie sie ist – ein Übersetzungsbüro eröffnet in Berlin. Die Kundschaft sind in der Mehrheit Griechen, die aus Griechenland kommen, die Verträge oder andere Dokumente übersetzt brauchen. Das ist nicht so toll, weil die weniger Geld haben, also auch weniger zahlen. Vom Standpunkt der Kundenakquise könnte Marianna also ebenso gut in Griechenland leben, bleibt aber in Berlin, weil sie ihr Deutsch so besser frisch halten kann. Und Literatur übersetzt sie ja auch noch – drei  von ihr übersetzte Bücher sind bisher schon auf Griechisch erschienen. Es können gern noch mehr werden.

Deutschland, Griechenland – wo ist sie zu Haus? Beide Länder sind eine Heimat geworden, aber wirklich zu Haus fühlt sie sich in Berlin. Achtung: Berlin – das ist nicht Deutschland!

Wie hat sie die Krise erlebt? Sie hatte schon während ihres Bachelor-Studiums gearbeitet, um Geld zu verdienen. Damals bekam eine Verkäuferin mit einer Vollzeit-Stelle 800 €. Dann – sie machte gerade ihren Master – kam die Krise und es gab für die gleiche Stelle gerade noch 400 €. Die Mieten allerdings blieben in alter Höhe bestehen und gleichzeitig wurden alle Steuern (also auch auf die Waren im Geschäft) erhöht. Für eine Übersetzerin bedeutet  das täglich zehn Stunden Arbeit und mehr in einer Siebentage-Woche – und nichts davon bleibt für die hohe Kante, alles fressen sofort Steuern, Krankenkasse und andere Abgaben, die ein Freiberufler zahlen muss. Doch wenn irgendeine europäische Zeitung etwas zu faulen Griechen oder einem „Ende der Krise“ schreibt, dann lächelt Marianna. Trotzdem.

Frau am Bücherregal
Marianna Tsatsou

Marianna, was wünschst du dir? Na ja, so die einfachen Sachen: ein tiefes, blaues Meer in Berlin, Süßigkeiten ohne Kalorien und ganz viele kreative und positive Leute in meinem Leben, die es schöner machen ‒ das reale Leben lässt da ja manchmal noch Wünsche offen.

Für den Workshop hatte sie sich einer echten Herausforderung gestellt und einen Auszug aus der Kurzgeschichte „Zehn Minuten Hermannplatz“ von Jürgen Kiontke übersetzt (aus dem „Neuköllnbuch“, erschienen im Verbrecher Verlag). In dem Text wimmelt es von unübersetzbar scheinenden Wortschöpfungen (wie dem „Trigeminus“, einem Nervenstrang, der sich nicht verzweigt, sondern „verdreigt“), Berliner Dialektbrocken und Namen für Dinge, die es eben nur in Deutschland gibt: „Turmbahnhof“, „Ich-AG“, „Hartz IV“. Sie hat es gemeistert. Ich würde Marianna jeden Text anvertrauen.

Der griechische Preuße – Thanassis Tsingas

Ja, er lebt vom Übersetzen, hauptsächlich geht es dabei um technische Handbücher, aber in Übersetzungen zum Zweiten Weltkrieg steckt sein Herzblut – Augenzeugenberichte von griechischen KZ-Überlebenden, Zwangsarbeitern Geschichten und versteckten Juden.

Deutsch und Griechisch: Thanassis übersetzt in beide Richtungen, kein Wunder, er ist quasi in Deutschland aufgewachsen, hat sich da eingewurzelt, eine deutsche Frau geheiratet. Seine Gestik, Mimik sind deutsch, sogar ein leiser Berliner Akzent ist hörbar.

Was er an Deutschland liebt? Vieles, aber insbesondere das Bildungssystem, das lange nicht so verschult ist wie in anderen Ländern.

Mann vor Grün mit Buch
Thanassis Tsingas

Wie er die Krise erlebt hat: Ja, das hat ihn schon sehr geärgert, wenn er mit anhören musste, was die Deutschen so über Griechenland reden. Dass ihm Fragen gestellt wurden wie „Zahlst du hier überhaupt Steuern?“

Thanassis, was wünschst du dir? „Noch viel mehr aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzen können, damit die Deutschen mehr erfahren über Griechenland, besonders aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.“

Für den Workshop hat Thanassis eine Erzählung aus Dimosthenis Papamarkos’ Kurzgeschichtensammlung „Γκιακ“ (Gjak, Antipodes-Verlag) übersetzt, eine Riesenleistung, denn die Vorlage ist ein Stück rigoros gesprochenes Neugriechisch, durchsetzt mit Einsprengseln aus dem Arvanitischen, einem archaischen albanischen Dialekt, der im heutigen griechischen Raum seit dem Mittelalter gesprochen wird. Auf die fertige Übersetzung kann man wahrlich gespannt sein.

Zum Übersetzer geboren – Theo Votsos

Ja, Theo lebt vom Übersetzen, ein gewaltiges Œu­v­re hat er bis jetzt schon geschaffen – als wir auf der Buchmesse durch die Hallen streifen, geschieht es immer wieder, dass er an einem Stand stehen bleibt, ein Buch in die Hand nimmt und meint, „Hm, ja, habe ich mal übersetzt.“

Dass er Übersetzer sein soll, wurde Theo in die Wiege gelegt. Als Kind griechischer Gastarbeiter in Kornwestheim (bei Stuttgart) war er es, der zwischen den Eltern hier und den Deutschen da vermittelt, übersetzt, der Welten erklärt hat. Was ist erklärungsbedürftig an Deutschland für Griechen? „Na, zum Beispiel Hölderlin. Und Leberkäse! Die eine Kultur als Korrektiv für die andere nutzen, zum organischen Bestandteil der anderen machen – das ist doch die Leistung des Übersetzers.“

Das Verhältnis von Deutschland und Griechenland? Die Antwort kommt mit einem Lachen: „Ich vielleicht? In mir treffen ja die beiden Kulturen aufeinander, müssen miteinander auskommen, sich dienen, sich wechselseitig korrigieren und sich versöhnen.“

Mann vor grünem Strauch
Theo Votsos

Was ihm zur Krise einfällt: Die hat er aus nächster Nähe erlebt. „War schlimm. So viele liebe Menschen, die betroffen waren. Die Selbstmordwelle, die Griechenland überrollt hat … In Athen war es freilich härter als in der Provinz. Auf der anderen Seite gibt es so viel Gelassenheit zu beobachten, so viel Selbstironie und Humor. Und der im Großen und Ganzen friedliche Umgang mit all den einschneidenden Veränderungen – da kann mensch nur den Hut ziehen! In gewisser Weise hat sich die Krise sogar als Chance erwiesen, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Die Solidarität, die Griechinnen und Griechen gegenüber den Flüchtlingen gezeigt haben in einer Zeit, in denen es ihnen selbst „dreckig“ ging, war und ist phänomenal und hat auf eindrucksvolle Weise demonstriert, dass menschliche Beziehungen unabhängig von ökonomischen Erwägungen möglich sind.“

Theo, was wünschst du dir? „Dass wir glücklich bleiben. Dass wir uns in die Augen schauen, Differenzen offen ansprechen und überwinden können – kritisch und solidarisch, auf zivile Weise.“

Theo hat den Übersetzer-Workshop zusammen mit Michaela Prinzinger geleitet, moderiert, eigene Fragen und Einfälle beigesteuert und jeden Abend ein neues, wunderbares kleines Lokal mit oder ohne Musik für uns gewusst.

Text: Angelika Jodl, Thanassis Tsingas. Fotos: diablog.eu. Die Porträts sind auf der Website von Angelika Jodl erschienen: www.angelika-jodl.de.

Dieser Beitrag ist auch verfügbar auf: Ελληνικά (Griechisch)

1 Gedanke zu „Durch Übersetzen die Welt verändern“

  1. Ein sehr umfassender Bericht. den ich mir in meinen Computer gespeichert habe, damit ich die genannten Übersetzungen finden und nachlesen kann.
    Ich habe als gebürtige Deutsche aus Essen nach meiner Scheidung Griechenland als
    meine “Anderswelt” erlebt, die griechische Sprache erlernt, ebenso griechische Tänze und die Freunschaft mit Eleni Torossi, die mir das griechische Leben sehr nah gebracht hat , dazu die griechische Literatur. Dafür bin ich ihr seeehr dankbar.

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