Technisches Knowhow aus der Antike

Thanassis Tsingas über das Museum Kostas Kotsanas in Athen

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Das Rad neu erfinden? Schon in der Antike wurden viele moderne Technologien vorweggenommen. Das Museum Kostas Kotsanas in der Athener Plaka führt Sie zu den Ursprüngen vieler zeitgenössischer Erfindungen. Thanassis Tsingas hat alles Wissenswerte für diablog.eu zusammengestellt.

Die Entwicklung der heutigen Technologie wäre ohne die Wiederentdeckung der antiken griechischen Technologie schwer vorstellbar. Schon allein beim modernen Automobil sind hydraulische Ventile und Steuerungen, Kettenräder und Ketten, Kolben und Zylinder, Riemen und Riemenscheiben, Schrauben und Muttern, Zahnräder und Endlosschrauben und sogar Autopiloten und die Programmierung technische Errungenschaften, die bereits in der Antike erfunden und angewandt wurden.

Der Museumsgründer

Kostas Kotsanas wurde 1963 in Seliana geboren, einem 750 m hoch gelegenen Bergdorf im Osten der Präfektur Achaia im Norden der Peloponnes. Die Straße nach Seliana beginnt im modernen Aigira, führt durch das antike Aigeira – das laut Homer Schiffe in den Trojanischen Krieg entsandt hatte und Sitz des Poseidon-Kultes war – und Aigai. In Seliana selbst sind die Ruinen der antiken Stadt Phelloe zu besichtigen. Offensichtlich hatte Kostas Kotsanas von Kindesbeinen an ein enges Verhältnis zur Antike.

Er studierte an der Fakultät für Maschinenbau der Universität Patras und widmete sich zeitlebens der antiken griechischen Technologie, über die er bisher sechs Bücher verfasst hat. Ohne Finanzhilfen von öffentlichen oder privaten Trägern hat er im Laufe der Jahre mehr als 500 Funktionsmodelle, also maßstabs- und detailgetreue bauliche Nachbildung antiker Erfindungen, konstruiert. Seine Forschungsergebnisse und technischen Rekonstruktionen stellte er mit großem Erfolg auf nationalen und internationalen Konferenzen vor.

Zeichnung mit Auto und technischen Geräten aus der Antike
Antikes Knowhow und das Auto von heute, ©Museum K. Kotsanas

Mit einem Teil davon hat Kostas Kotsanas 2003 erst das Museum für antike griechische Technik und das Museum für Musikinstrumente und Spielzeug der griechischen Antike in Katakolo/Elis auf der Peloponnes ausgerüstet und später das Archimedes-Museum im antiken Olympia. Der Dumont-Reiseführer zur Peloponnes führt beide in der Liste der Top-10-Reiseziele auf der Halbinsel an.

Ein ähnliches Museum in der griechischen Hauptstadt war somit keine Überraschung, sondern nur eine Frage der Zeit. Tatsächlich wurde Anfang 2018 eine Zweigstelle des Museums für antike griechische Technologie in Athen unweit des griechischen Parlaments eröffnet.

altes Gebäude Jugendstil
Das Museumsgebäude, Pindarou-Straße 6, ©Museum K. Kotsanas

Antikes Griechenland – Der Anbeginn der Technologien

Die Ausstellungsfläche von 700 m² befindet sich in einem einzigartigen Jugendstilgebäude. Die Dauerausstellung Antikes Griechenland – Der Anbeginn der Technologien zeigt mehr als 150 interaktive Funktionsmodelle und Rekonstruktionen von Erfindungen, die in 24 thematische Einheiten unterteilt sind.

Alle Exponate sind voll funktionsfähig. Das wissenschaftliche Personal des Museums kann aber jeweils nur ausgewählte Exponate in Betrieb nehmen. Sie basieren auf der eingehenden Recherche antiker Quellen in griechischer, lateinischer und arabischer Sprache, auf Darstellungen von antiken Gefäßen und archäologischen Funden aus dem Zeitraum 2000 v. Chr. bis zur Eroberung Griechenlands im ersten vorchristlichen Jahrhundert durch die Römer.

Museum Ausstellungsstück
Exponate, ©Museum K. Kotsanas

Das Museum weist auffällige Parallelen zwischen der Entwicklung der antiken und der modernen, westlichen Technologien nach. Robotik und Rechenwissenschaft, Dampfmobilität und Strahlantrieb, Automobil- und automatische Navigation, Automatisierung und Programmierung, Telekommunikation und Kryptographie, Geodäsie und Kartierung, die Verwendung von Hydraulik- und Windkraft, von Riemen-, Ketten- und Zahnradantrieb und viele andere Techniken wurden im antiken Griechenland erfunden. Das Aufkommen der westlichen Technologie nach dem 13. nachchristlichen Jahrhundert war eine schrittweise Neuentdeckung des Knowhows der griechischen Antike.

Führung im Museum
Führungen im Museum, ©Museum K. Kotsanas

Ausstellung antiker griechischer Musikinstrumente

Im Museumsgebäude befindet sich auch eine eigene Ausstellung antiker griechischer Musikinstrumente, die 42 rekonstruierte und voll funktionsfähige Musikinstrumente umfasst, wie Pythagoras´ Viersaiteninstrument Helikon und Sechssaiteninstrument Syntonon, Ptolemäus´ Helikon, Hermes´ Lyra, Apollos Kithara/Gitarre, Homers Phorminx, Sapphos harfenartige Pektis, Pans Syrinx/Panflöte, Ktebesios´ Hydraulis/Wasserorgel und viele mehr.

Gruppe von Kindern im Museum mit Führung
Antike Musikinstrumente, ©Museum K. Kotsanas

Sonderausstellungen

Darüber hinaus hat das Museum Kotsanas in Athen die räumliche Möglichkeit, Sonderausstellungen zu verschiedenen Aspekten der antiken Technologie zu präsentieren, wie etwa die Ausstellung Archimedes oder solche zu antiken Spielen, Automaten, Schiffsbau, Belagerungsmaschinen, Astronomie usw.

Infotainment

Das Museum bietet zu seinen Schwerpunkten Bildungsprogramme und Workshops an:

Wie haben die alten Griechen verschlüsselte Nachrichten kommuniziert und versendet?
Griechische Strategiespiele: Vom Brettspiel Zatrikio bis hin zu Puzzle, Tangram, Schach, Backgammon und Drei Gewinnt.
Rechenmaschinen: vom Kleinrechner von Salamis bis zur Rechenmaschine von Antikythera.

Das Museum Kotsanas ist eine gemeinnützige Organisation, alle seine Einnahmen werden in Museumsexponate und Bildungsaktivitäten investiert.

Gruppe von Kindern in Museum
Infotainment, ©Museum K. Kotsanas

Museumsshop

Der Museumsshop bietet handgefertigte Nachbildungen von Museumsexponaten wie beispielsweise ein präzises Modell der Rechenmaschine/des Mechanismus von Antikythera, der mobilen Sonnenuhr von Parmenion, des Tetranten von Hipparchus sowie von antiken Schiffen, Spielzeug und Musikinstrumenten.

Wanderausstellungen

Das Museum Kostas Kotsanas verfügt über drei Wanderausstellungen, die ständig in archäologischen und technischen Museen auf allen fünf Kontinenten unterwegs sind und unter der Schirmherrschaft des griechischen Ministeriums für Bildung, Forschung und Religion stehen.

Mann am Rednerpult Kostas Kotsanas
Kostas Kotsanas, ©Museum K. Kotsanas

Auszeichnungen

Kostas Kotsanas wurde 2009 vom griechischen Kultusministerium für sein Werk mit dem Innovationspreis gewürdigt und 2016 auf dem Internationalen Symposium der Wissenschaftsmuseen (ISSM) in Daejeon, Korea, geehrt. Die Athener Zweigstelle wurde vom European Museum Forum (EMF) noch vor dem einjährigen Bestehen des Museums als Kandidatin für die Auszeichnung zum Europäischen Museum des Jahres 2019 vorgeschlagen.

Museum für antike griechische Technologie Kostas Kotsanas, Pindarou-Straße 6/ Ecke Akadimias im Athener Bezirk Kolonaki, Tel. 211 4110044, 6907 292002, E-Mail: info@kotsanas.com, www.kotsanas.com. Öffnungszeiten: 09:00-17:00 Uhr täglich, auch am Wochenende.

Text: A. Tsingas. Redaktion: Michaela Prinzinger. Abbildungen: Museum K. Kotsanas.

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1 Gedanke zu „Technisches Knowhow aus der Antike“

  1. Hi,

    was für ein tolles Museum und Museumskonzept. Technologie und Geschichte bzw. antikes Griechenland sind wirklich eine willkommene Erinnerung welche Rolle Museen heute spielen können.

    Ich selbst war vor kurzem in Griechenland und man spürt dort die lebendige Geschichte. Die Griechen könnten, wie Kotsanas, daraus positive Schlüsse für die Gegenwart ziehen.

    Wer sowas in der Vergangenheit konstruiert hat, was kann er heute schaffen? Das gilt vielleicht sogar für Europa, ach was die ganze Welt. Gerade die südlichen Länder Europas, aber auch Afrika, können daraus viel ziehen, da antikes Griechenland natürlich von all diesen Regionen damals auch profitiert, gelernt, Wissen ausgetauscht hat.

    Danke.

    Nic Hammaburg

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