Griechische Kürschner und Pelzhändler

Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt

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Am 27. November 2019 wird die Ausstellung „Kein Leben von der Stange: Geschichten von Arbeit, Migration und Familie“ im Historischen Museum Frankfurt eröffnet, die bis zum 5. April 2020 zu sehen sein wird. Peter Oehler berichtet diablog.eu von seinen Recherchen über die griechischen Kürschner und Pelzhändler der Stadt.

Ich werde des Öfteren von Leuten gefragt, wie ich dazu gekommen sei, mich mit den Griechen in Frankfurt zu beschäftigen. Das liegt lange zurück, es fing mit meinen Reisen an. Auf meiner ersten Fahrt, einer Radreise durch die Peloponnes 1994, habe ich Land und Leute kennen- und schätzengelernt. Und als ich im Sommer 2016 am Überlegen war, mit welchem Thema ich mich als Stadtteilhistoriker bei der Stiftung Polytechnische Gesellschaft bewerben könnte, fiel meine Wahl auf die Frankfurter Griechen. 2017 und 2018 habe ich dann insgesamt 40 Interviews geführt. Schon sehr bald bin ich dabei auf einen besonderen Aspekt der Geschichte der Frankfurter Griechen gestoßen: auf die Kürschner und Pelzhändler im Frankfurter Bahnhofsviertel rund um die Niddastraße.

schwarzweiss foto mit menschengruppe
Kürschner um 1900, Folklore-Museum Kastoriá

So nahm ich ab März 2019 an den Workshops des Stadtlabors „Arbeit, Migration und Familie“ im Historischen Museum Frankfurt (HMF) teil. Neben dem eigentlichen Schwerpunkt der geplanten Ausstellung, nämlich den hauptsächlich von Migranten betriebenen Änderungsschneidereien, hatten wir bereits frühzeitig erkannt, dass auch die griechischen Kürschner und Pelzhändler Frankfurts unbedingt dazu gehören. So füllte sich dieser Ausstellungsabschnitt mit meinen Interviews und meiner Recherche zu den „Griechen in Frankfurt”. Zusätzlich habe ich drei weitere Interviews mit ehemaligen Kürschnerinnen geführt, um dem Aspekt Frauen, Familie und Kinder besser gerecht zu werden. Auch war ich bei meiner letzten Griechenlandreise im Sommer 2019 für zwei Wochen in Kastoriá und Siátista im Norden des Landes. In der Blütezeit des Pelzzentrums in der Niddastraße gab es einen sehr regen Austausch und Kontakt zwischen Frankfurt und den beiden nordgriechischen Städten. Die allermeisten griechischen Kürschner und Pelzhändler in Frankfurt kommen von dort. Wegen dieser engen Verzahnung habe ich in diesen zwei Wochen neun weitere Interviews geführt, zum Teil mit Griechen, die lang in Frankfurt gelebt und gearbeitet haben. Darüber hinaus habe ich mir vor Ort kleinere und größere Pelzwerkstätten angeschaut.

Der Ausstellungsteil „Griechische Kürschner und Pelzhändler“ wird durch ein großes Foto aus einer Kürschnerwerkstatt in der Niddastraße aus den 1970er-Jahren repräsentiert. Das daneben stehende Zitat „Die ganze Niddastraße war voller Kleiderstangen mit Pelzmänteln und überall hast du nur Griechisch gehört!“ untermauert die Bedeutung der Griechen für die ganze Pelzbranche. Blickfang ist dabei jedoch das mit viel Pelz und Plüsch geschmückte Fahrrad von Emmanuel de Greco, einem stadtbekannten Paradiesvogel, der im Oktober 2018 verstorben ist. Dabei stellt nicht nur der Pelz des Fahrrads eine Verbindung zur Ausstellung her, sondern Emmanuel de Greco pflegte zeit seines Lebens einen guten Kontakt zu den griechischen Kürschnern und Pelzhändlern im Frankfurter Bahnhofsviertel.

zwei personen mit geschmücktem fahrrad
Emmanuel de Greco mit Fahrrad und Pelzhändler Sotirios Kazakis, ©Claus Peter Claude

Die Geschichte dieser Zunft wird mit zahlreichen Text- und Bildtafeln illustriert, die vor der Ausstellungswand an einer runden Kleiderstange hängen. Bereits ab dem 14. Jahrhundert verarbeitete man in Kastoriá Pelze. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts reisten die griechischen Pelzhändler zu den Messen nach Leipzig. Einige haben sich dort auch niedergelassen, in der Straße „Im Brühl“. Dieser Name wurde zum Synonym für die ganze Pelzbranche. Als Leipzig nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Teil der sowjetischen Besatzungszone wurde, sahen Kürschner und Pelzhändler generell keine wirtschaftliche Perspektive mehr. Auf Initiative der Frankfurter Industrie- und Handelskammer zogen sehr viele in die Stadt am Main und im Frankfurter Bahnhofsviertel entstand der neue „Brühl“. Das – weltweit größte – Pelzzentrum in der Niddastraße erlebte seine Blütezeit von den 1960er- bis in die 1980er Jahre.

drei personen in schneiderwerkstatt
Griechische Kürschnerwerkstatt in der Frankfurter Niddastraße, @Archiv Peter Oehler

Die griechischen Kürschner und Pelzhändler trugen viel zum sogenannten deutschen Wirtschaftswunder bei. Es entwickelte sich ein reger Austausch zwischen Frankfurt, Kastoriá und Siátista. Zum einen wurden Pelzabfälle in Frankfurt gesammelt und nach Griechenland transportiert. Denn in diesen beiden Städten war man darauf spezialisiert, aus diesen Pelzresten größere Tafeln, sogenannte Bodies, zusammenzunähen, die dann zur Konfektionierung wieder nach Frankfurt geschickt wurden. Zum anderen kamen viele Griechen saisonal nach Frankfurt, wenn es die Auftragslage erforderte. Nach 1989 setzte der Niedergang der Pelzbranche ein. Hauptgründe waren die Verlagerung der Produktion nach Südostasien sowie vier warme Winter hintereinander. Darüber hinaus hatte sich das Bewusstsein für Pelze als Modeartikel aufgrund des Engagements der Tierschützer verändert. Pelz war nicht länger mehr „in“. Kastoriá blieb von dieser Entwicklung weitgehend unbeeindruckt, da sich bald ein neuer, nämlich russischer Absatzmarkt auftat.

ein mann an nähmaschine
Kürschner beim Nähen eines Bodies, Kastoriá 2019, ©Peter Oehler

In der Ausstellung wird diese Geschichte auch in einer „Oral History“-Abteilung aus griechischer Sicht zu hören sein. Dazu kann man sich an der Medienstation fünfzehn ausgewählte Passagen aus den von mir geführten Interviews anhören, die durch Fotos der Interviewpartner sowie mit Bildern zur Pelzgeschichte ergänzt werden. Schwerpunkte dabei sind, dass man damals in der Pelzbranche sehr gut Geld verdienen konnte, es aber auch lange Arbeitszeiten gab; dass sich Griechen generell gerne selbständig machen; dass viele Griechen, die als Gastarbeiter kamen, damals zur Pelzbranche gewechselt sind; dass viele Kürschnerwerkstätten auch familienfreundliche Betriebe waren, in denen die Kinder – wenn sie sich dafür interessierten – in den Beruf hineinwachsen konnten.

Unbestreitbar ist jedenfalls: Das ganze Frankfurter Bahnhofsviertel war in der Blütezeit der Pelzbranche fest in griechischer Hand.

Text: Peter Oehler. Redaktion: Michaela Prinzinger. Fotos: Peter Oehler, Claus Peter Claude, Folklore-Museum Kastoria.

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1 Gedanke zu „Griechische Kürschner und Pelzhändler“

  1. Herzlichen Dank für den Beitrag. Er war es mir wert, mich heute durch das Weihnachtsmarktgewusel am Römer zum schlängeln, um dem Historischen Museum Frankfurt einen Besuch abzustatten. Tolle Präsentation im Stadtlabor!

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